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Vorlängst hat zugericht, daß laß zuforderst sincken;
So du noch wilt den Most vom neuen Kälter trincken.

Kein Schauspiel wird so bunt und seltsam fürgestellt,
Das nicht in Wahrheit sich befindet auf der Welt.
Vielleicht hat ein Gehirn aus Griechenland erdichtet,
Wie Clytemnestra tobt, und ihren Mann hinrichtet,
Und wiederum Orest der Mutter gibt den Lohn,
Und Phedra voller Brunst ermordet ihren Sohn,
Wie Atreus sich mit Lust in seinem Grimm ergötzet,
Dem Bruder ein Gericht von seinen Kindern setzet,
Wie kläglich der Thyest in seine Glieder beist,
Wie Kolchis ihren Sohn in hundert Stücken reist.
Diß alles trägt sich zu, und noch wohl ärger Sachen,
Wo Gold- und Silbersucht die Menschen wilde machen.
Ja solte man das Spiel geheimer Orten sehn;
Man liesse Cäsars Platz sammt allen Marmor stehn.

Du siehst verwundert an das wütende Beginnen,
Wenn Aiax schnaubend geht beraubet aller Sinnen
Bald einen grossen Stier, bald einen Hammel sticht,
Im Wahn, daß er den Hals dem Ithakus zerbricht;
Und dieser ist allein für rasend nicht zu schätzen.
Wer sich mit grossem Gut darf auf ein Höltzlein setzen
Und kennt zuvor die See und ihren tiefen Schlund,
Wie sie so manches Schif versencket in den Grund,
So manchen Ancker frist, so manchen Mast verschlinget,
So mannig tausend Mann um Leib und Leben bringet;
Wer dieses alles weiß und in den Wind schlägt hin,
Und wagt gewisses Gut um mäßlichen Gewinn,
Verblendet durch den Geitz, der hat den Witz verlohren,
Der ist ein Narren-Kopf, wiewohl er an den Ohren
Nicht etwa Schellen trägt. Läst sich Gewölcke sehn,
Verkreucht die Sonne sich, will gleichsam untergehn
Bey früher Tages-Zeit. Erhebet s[i]ch ein Brausen.
Was, spricht der Pfeffer-Sack, laß einmal übersausen

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Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)