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Diß merckte das Gelag. Da ward ein Triumphiren.
Da ging das Jauchtzen an. Der Hals gieng aus den Schnüren.
Ich, wiewol satt und voll, gieng wiederum hinein,
Sprach nicht ein einigs Wort, erstarret wie ein Stein,
Halb wachend, halb im Schlaf. Mein Bruder kam gelaufen,
Mein liebster Eschinus, noch eins mir zu zu saufen.
Er grif mich bey den Arm, er stieß, er rückte mich,
Und sprach, wie, sizest du, du Hundsfott gleich wie ich?
Ich, wie mit Trunckenen fast übel ist zu schertzen,
Wie kaum ich mich besann, kont dieses nicht verschmertzen,
Sprach: Hör mein Eschinus, du magst seyn wer du wilt,
Es mag ein solcher seyn, der mich für einen schilt.
Kaum hatt ich diese Wort noch völlig ausgesprochen;
Er schlug mich ins Gesicht. Die Freundschaft war gebrochen.
Die Brüderschaft war aus. Ich wehrte mich so gut
Als dazumahl vermocht, und weil ein wenig Blut
Ihm aus der Nasen ran; Da fing er an zu fluchen,
Verschwur auch Leib und Seel: Er wolte Rache suchen:
Er wolt eh noch das Jahr zum Ende solte gehn,
Mich, einen todten Hund, für seinen Füssen sehn.
Ist das nicht bald verkehrt? In einer Viertel-Stunden,
So einen lieben Freund und argen Feind gefunden?
Wo bleibet Schwur und Eyd? Drum sag ich rund und frey,
Daß trunckne Brüderschaft gar selten redlich sey;
Wie hoch man sich verflucht. Ein Mund, der Wahrheit liebet,
Der sein Gewissen nicht mit Falschheit gern betrübet,
Bedarf des Schwerens nicht. Die lang Erfahrung zeugt,
Und hat gewissen Grund: Wer leichtlich schwert, der leugt.
Wenn lang gespürte Gunst die Seelen erst verbindet:
Wenn wolgereifte Treu ist auf Vernunft gegründet,
Und denn der milde Wein des Hertzens-Grund entdeckt,
So halt ich, daß er mehr Vertraulichkeit erweckt.
Wenn aber solche sich der Brüderschaft anmaßen;
So pflegt Beständigkeit auch ewig Platz zu faßen.

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)