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(Felsengegend. Almansor, matt und blutend, und die ohnmächtige Zuleima tragend, erklimmt den höchsten Felsen.)

Almansor.

1640
O, hilf mir, Allah, bin so müd und matt.

Hab’ mir zurückgeholt mein weißes Reh,
Just als des Jägers Hand es schlachten wollte.
     (Er setzt sich auf des Felsens Spitze, und hält Zuleima auf dem Schooße.)
Ich bin der arme Mödschnun, und ich sitze
Auf meinem Felsen, spiel’ mit meinem Reh;

1645
Denn in ein Reh verwandelte sich Leila,

Und sah mich an mit freundlich klaren Augen.
Jetzt sind die Aeuglein zu, mein Rehlein schläft.
Still! still! Du Zeisig, zwitschre nicht so schmetternd.
Du Käfer, summe leiser. Liebes Lüftlein,

1650
Durchraschle nicht so laut die Blätter, – Stille!

Ein Wiegenlied will ich dir singen. Stille!

     (Er wiegt Zuleima im Schooße und singt:)
          Die Sonne wirft ihr Nachtkleid um,
     Gar rosenroth und schön;

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Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_239.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)