Seite:Ueber Mainz (1792).pdf/97

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Du sehnst dich vielleicht, die Fortschritte zu hören, die der gereiste Adel in Frankreich gemacht hat? Diese sind von der nachtheiligen Seite sehr groß, von der vortheilhaften aber desto kleiner. Vorzüglich sucht man sich daselbst Bekanntschaften zu erwerben, welche den Jüngling bald zu einem Greiß umschaffen, und dieses so überzeugend darstellen, daß man den Wanderer nach Frankreich an seinen eingefallenen Wangen, blaßer Farbe und verstellten Gesichtszügen vor Allen andern erkennen kann. Venerische Krankheiten, stumpfe Sinne und abgespannte Kräfte sind die sichersten Folgen davon; und was das betrübteste ist, so pflanzt sich diese Seuche vom Vater auf den Sohn, und von diesem auf den Enkel fort, und so wird der hiesige Adel nicht weiter auf ein gewöhnliches Menschenalter rechnen dürfen, als wozu die ersten Schritte schon gethan sind. So viel vor jetzt von der adlichen Jugend. Aber auch unter den Aeltesten des Adels findet man Leute, mit denen ich nicht unter einem Dache wohnen möchte. Stolz, Verschwendung, Ausschweifungen und Verletzung ehlicher Treue sind die Hauptzüge davon. Und doch giebt man ihn für einen der reinsten in unserm

Empfohlene Zitierweise:
Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/97&oldid=- (Version vom 22.11.2023)