Seite:Ueber die Liebe 051.jpg

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Eine der komischsten Quellen von Liebesabenteuern sind falsche Blitzschläge. Eine gelangweilte, aber nicht feinfühlige Frau glaubt eines Abends, sich für ihr ganzes Leben verliebt zu haben. Sie ist stolz, endlich eine jener großen Wallungen gefunden zu haben, nach denen ihre Seele so lechzte. Um anderen Tage ist sie ratlos, wo sie sich verstecken und wie sie dem Unglücklichen aus dem Wege gehen soll, den sie gestern anbetete.

Menschen von Geist verstehen Blitzschläge vorauszusehen und zu ihren Gunsten auszunutzen.

Auch die Liebe aus Sinnlichkeit hat ihre Blitzschläge. So beobachtete ich gestern, wie die schönste und leichtlebigste Dame Berlins, mit der ich zusammen im Wagen fuhr, plötzlich errötete. Der schöne Leutnant Findorff war vorübergegangen. Sie verfiel in tiefe Träumerei und Unruhe. Abends im Theater gestand sie mir, daß sie närrisch verliebt sei und daß sie nur an Findorff denke, mit dem sie jedoch nie ein Wort gesprochen hatte. Wenn es angängig wäre, sagte sie, so würde sie ihn holen lassen. Ihr hübsches Gesicht verriet alle Zeichen einer heftigen Leidenschaft. Das ging auch noch den folgenden Tag so; nach drei Tagen hatte sich Findorff täppisch betragen, und sie dachte nicht mehr an ihn. Einen Monat später war er ihr verhaßt.


23. In fremdem Lande

Ich rate allen, die im Norden geboren sind, dieses Kapitel zu überschlagen. Es ist eine unverständliche Abhandlung über einige seltsame Erscheinungen

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_051.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)