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Beweis unseres Wertes in der Zahl derartiger Erfolge sehen. Eure Erziehung läuft gerade auf das Gegenteil hinaus.“

Der Unterschied in der Untreue der beiden Geschlechter ist so wirklich und wahr, daß eine leidenschaftlich liebende Frau eine Untreue des Geliebten zu verzeihen vermag. Der Mann kann das unmöglich.

Das ist erfahrungsgemäß der Prüfstein der Liebe aus Leidenschaft und der Liebe aus Eitelkeit. Im Herzen einer Frau stirbt diese durch die Untreue des Geliebten, während sich jene verdoppelt.

Stolze Frauen verbergen ihre Eifersucht aus Stolz. Sie verbringen lange Abende schweigsam und kalt mit dem Manne, den sie anbeten, dessen Verlust sie fürchten und in dessen Augen sie nicht mehr liebenswert zu sein glauben. Das muß eine der größten Qualen sein, und es ist die häufigste Ursache des Unglücks in der Liebe. Um solche unserer Achtung so würdige Frauen wieder zu heilen, muß der Mann einen seltsamen, aber wirkungsvollen Weg einschlagen, und vor allem darf er sich nicht anmerken lassen, daß er weiß, wie die Dinge stehen. Zum Beispiel muß er binnen vierundzwanzig Stunden eine große Reise mit ihr antreten.


36. Vom Ehrgeiz und der Eitelkeit in der Liebe

Der Ehrgeiz ist eine Regung der Eitelkeit. Ich will nicht, daß mein Gegner den Vorrang vor mir hat. Dadurch mache ich diesen Gegner selbst zum Richter meines Wertes. Ich will auf sein Inneres einwirken.

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_115.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)