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ihrem Gewissen getreu, dreißig Jahre lang herumgeschlagen. Ein schöner und beherzigenswerter Ruf, wenn auch der Glaube an und für sich wohl sinnlos ist.

Eine geheimnisvolle Begeisterung für die Frauen und die Liebe rühmte schon Tacitus, wenn dieser Schriftsteller nicht etwa lediglich eine Satire auf Rom hat verfassen wollen.

Man braucht nur hundert Meilen durch Deutschland zu reisen und man erkennt bereits in diesem uneinigen und zerstückelten Volke eine tiefe Begeisterung, die eher sanft und zart, als feurig und ungestüm ist.

Einen weiteren Beweis für diese allen Deutschen gemeinsame Neigung sehe ich im österreichischen Gesetzbuch, das für die Bestrafung fast aller Verbrechen das Geständnis des Verbrechers verlangt. Es ist für ein Volk berechnet, wo Verbrechen selten und eher eine Tat des Wahnsinns schwächlicher Naturen, als die Folge eines mutigen, wohlüberlegten und in beständiger Fehde mit der Gesellschaft liegenden Geistes sind. Italien braucht entgegengesetzte Gesetze; man will jene dahin verpflanzen, aber es wäre ein großer Fehler,

Ich habe in Italien deutsche Richter in Verzweiflung gesehen, wenn sie Todesurteile oder schwere Gefangenschaft ohne Geständnis des Schuldigen verhängen mußten.


47. In England

Ich habe in letzter Zeit viel mit den Tänzerinnen vom Theater Del Sol in Valenzia verkehrt. Man versichert mir, verschiedene unter ihnen seien sehr keusch,

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_161.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)