Seite:Ueber die Liebe 183.jpg

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zu plaudern und zu lästern wegen der Lieder, die Wilhelm verfaßte, und sagten, er sei in Frau Margarete verliebt. Und so lange redeten sie hin und her, bis die Sache Herrn Raimund zu Ohren kam. Da wurde er sehr betrübt und von schwerer Trauer erfüllt, erstlich, weil er seinen Reitknappen, den er sehr liebte, verlieren sollte, und dann wegen der Schande seiner Frau.

Eines Tages begab es sich, daß Wilhelm mit einem Reitknecht auf die Sperberjagd gegangen war, als Herr Raimund sich erkundigte, wo er wäre. Ein Knecht antwortete, er sei auf die Sperberjagd geritten, und ein andrer, der es wußte, fügte hinzu, nach welchem Orte. Auf der Stelle nahm Raimund Waffen, die er verbarg, ließ sich sein Pferd bringen und schlug ganz allein den Weg nach dem Orte ein, wohin Wilhelm gegangen war. Er ritt so lange, bis er ihn fand. Als Wilhelm ihn kommen sah, war er sehr erstaunt und sofort kamen ihm trübe Ahnungen. Er ritt ihm entgegen und sagte zu ihm: „Herr, seid willkommen! Warum seid Ihr so allein?“ – Herr Raimund entgegnete: „Wilhelm, du bist’s, den ich suche, um mich mit dir zu unterhalten. Hast du nichts erjagt?“ – „Nichts, Herr, denn ich habe nichts gefunden, und wer nichts findet, hat nichts, sagt das Sprichwort.“ – „Lassen wir diese Unterhaltung,“ sprach Herr Raimund, „und bei der Treue, die du mir schuldig bist, sage mir die Wahrheit in allen Dingen, um die ich fragen werde.“ – „Bei Gott, Herr,“ entgegnete Wilhelm, „wenn ich es sagen kann, werde ich es Euch gern sagen.“ – „Ich will keine Spitzfindigkeiten,“ sagte Herr Raimund, „sondern du sollst mir alles und

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_183.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)