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Gesellschaft. Die Freuden der großen Gesellschaft sind glücklichen Frauen nichts.

Nur die Unwissenden feinden die Frauenerziehung instinktiv an. Heute vertändeln sie ihre Zeit mit ihnen, machen ihnen den Hof und werden von ihnen gut behandelt. Aber was würde aus ihnen, wenn die Frauen einmal den Walzer satt bekämen? Wenn wir aus Afrika oder Asien heimkommen, mit verbrannter Gesichtsfarbe und einer Stimme, die noch nach einem halben Jahre etwas grob klingt, was könnten jene auf unsere Erzählungen antworten, wenn sie nicht die Redensart hätten: „Wir, wir haben die Frauen auf unserer Seite. Während Sie in der Ferne waren, hat sich die Farbe der Dogcarts geändert. Jetzt sind schwarze Mode.“ Wir lauschen aufmerksam, denn das zu wissen, ist nützlich. Manche hübsche Frau wird uns keines Blickes würdigen, wenn unser Wagen einen schlechten Geschmack verrät.

Eben diese Tröpfe, die sich als Männer verpflichtet glauben, mehr zu wissen als die Frauen, wären gänzlich in den Schatten gestellt, wenn die Frauen etwas lernen wollten. Solch ein Flachkopf von dreißig Jahren sagt sich beim Anblick der kleinen zwölfjährigen Töchter seines Freundes: „Mit einer werde ich in zehn Jahren mein Leben teilen.“ Man stelle sich seine Klagen und seinen Schrecken vor, wenn er sie irgend etwas Nützliches lernen sähe.

Nicht die Gesellschaft und Unterhaltung eines Mann-Weibes, sicherlich aber die einer wohlunterrichteten Frau, falls sie ihren Ideenkreis ohne Verlust der weiblichen Anmut erweitert hat, wird unter den hervorragendsten Männern ihres Jahrhunderts eine Beachtung finden, die an Begeisterung streift.


Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_223.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)