Seite:Ueber die Liebe 263.jpg

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15.

Ein Ding ist in der französischen Kunst völlig unmöglich: die Begeisterung. Ein begeisterter Mann würde lächerlich sein; er sieht zu glücklich aus.


16.

In den schönen Künsten werden die Franzosen, so sehr sie sich auch bemühen, niemals über das „Hübsche“ hinauskommen.

Der Humor, der beim Zuschauer Schwung und beim Schauspieler Mutwillen voraussetzt, jene köstlichen Scherze Palombas in Neapel, sind in Paris unmöglich. Hübsches und immer wieder Hübsches, das gar mitunter noch erhaben gemeint ist.

Man sieht, ich strebe im allgemeinen nicht nach Volkstümlichkeit.


17.

In der Komödie „Innamorati“ von Goldoni sind alle Regungen der Leidenschaft vorzüglich geschildert, aber Stil und Gedanken stoßen durch widerwärtige Gewöhnlichkeit ab. Beim französischen Lustspiel ist es gerade umgekehrt.


18.

Gewohnheiten der Phantasie. Ein Franzose wird durch einen achtmaligen Dekorationswechsel in einem Trauerspielakte ernstlich mißgestimmt. Den „Macbeth“ mit Genuß zu sehen, ist einem solchen Menschen unmöglich. Er entschädigt sich damit, daß er über Shakespeare wegwerfend urteilt.


19.

Alle Beobachtungen der französischen Schriftsteller über die Liebe sind gut und genau niedergeschrieben,

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_263.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)