Seite:Ueber die Liebe 279.jpg

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51.

Um bei leichten Sitten glücklich zu sein, dazu gehört eine Schlichtheit des Charakters, wie man sie wohl in Deutschland und in Italien, aber nie in Frankreich findet.


52.
Bologna, den 18. April, 2 Uhr morgens.

Weiblicher Stolz. Ich habe eben ein schlagendes Beispiel davon gesehen, aber alles in allem gerechnet, müßte ich fünf Seiten schreiben, um ein deutliches Bild davon zu geben. Noch lieber, wenn ich den Mut dazu hätte, möchte ich aus dem, was ich unwiderleglich sah, meine Schlußfolgerungen ziehen. Aber ich muß auf die Wiedergabe dessen, wovon ich überzeugt bin, verzichten. Es sind zu viele kleine Umstände dabei im Spiele. Dieser Stolz ist das Gegenstück zur Eitelkeit der Französinnen. Soweit ich mich entsinne, ist das einzige Buch, worin ich ihn skizziert gefunden habe, der Teil der Memoiren der Madame Roland, in dem sie kleine Beobachtungen aus ihrer Mädchenzeit erzählt.


53.

Die maßlose Achtung vor dem Gelde, der große und erste Fehler des Engländers und des Italieners, ist in Frankreich weniger fühlbar und in Deutschland ganz und gar in den richtigen Schranken gehalten.


54.

Die italienische Klugheit strebt nach Erhaltung des Lebens. Das regt das Spiel der Phantasie an. Im Gegensatz dazu erfordert die englische Klugheit, die nur darauf ausgeht, Geld zusammenzuscharren oder zu behalten, eine gewissenhafte, alltägliche Genauigkeit,

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_279.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)