Seite:Ueber die Liebe 322.jpg

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den Genuß der Kunst hundertfach erweitert. Was für große Künstler ahnen nichts von ihrer Seele und von ihrem Genie. Oft halten sie sich ihren Idealen gegenüber für mittelmäßige Talente, weil sie mit den Eunuchen des Serails nicht übereinstimmen, mit Laharpe und anderen. Für solche Menschen ist selbst eine flüchtige Liebe ein Glück.


175.

Ich möchte etwas über den Trost sagen können. Wir tun nicht genug, um uns zu trösten. Vor allem müssen wir versuchen, eine Kristallbildung in uns zu erwecken, die dem Motiv unseres Leidens so fremd wie möglich ist.

Man muß den Mut haben, etwas Anatomie zu betreiben, und man wird neue Kräfte entdecken.

Wenn man das zweite Kapitel des Buches über die Gefängnisse von Villermé (Paris, 1820) zur Hand nimmt, findet man, daß die Gefangenen – wie sie es selbst nennen – si maritano fra di loro. Die Frauen si maritano anche fra di loro. In solchen Verhältnissen liegt viel Treue, was man an den Männern nicht beobachten könne und was eine Folge der Schamhaftigkeit sei. Villermé erzählt Seite 99:

„In Saint-Lazare brachte sich im Oktober 1818 eine Gefangene mehrere Messerstiche bei, weil sie sah, daß ihr eine Neuangekommene vorgezogen wurde. Gewöhnlich hängt gerade die Jüngere am innigsten an der anderen.“

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_322.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)