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welche zwischen Juden und Germanen, die ich einst „die beiden Völker der Sittlichkeit“ nannte, stattfindet, und in dieser Beziehung erwähne ich auch als einen merkwürdigen Zug den ethischen Unwillen, womit das alte deutsche Recht die Verjährung stigmatisirt; in dem Munde des niedersächsischen Bauers lebt noch heute das rührend schöne Wort: „hundert Jahr Unrecht machen nicht ein Jahr Recht.“ Die mosaische Gesetzgebung protestirt noch entschiedener durch die Institution des Jubeljahrs. Moses wollte nicht das Eigenthum abschaffen, er wollte vielmehr, daß jeder dessen besäße, damit niemand durch Armuth ein Knecht mit knechtischer Gesinnung sei. Freiheit war immer des großen Emancipators letzter Gedanke, und dieser athmet und flammt in allen seinen Gesetzen, die den Pauperismus betreffen. Die Sclaverei selbst haßte er über alle Maßen, schier ingrimmig, aber auch diese Unmenschlichkeit konnte er nicht ganz vernichten, sie wurzelte noch zu sehr im Leben jener Urzeit, und er mußte sich darauf beschränken, das Schicksal der Sclaven gesetzlich zu mildern, den Loskauf zu erleichtern und

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Vermischte Schriften. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1854, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vermischte_Schriften_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)