Seite:Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen Teil 1 1759.pdf/111

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da das hypochondrische Wesen, das aus den matten Fingern bis zum Eckel hervorblicket, wohl wenig oder gar nicht durch das Gegentheil zu heben ist. Beyde übrigens üben ihr Instrument blos maschienenmäßig aus, da zu dem rührenden Spielen gute Köpfe erfodert werden, die sich gewissen vernünftigen Regeln zu unterwerfen und darnach ihre Stücke vorzutragen fähig sind.

 §. 2.  Worinn aber besteht der gute Vortrag? in nichts anderem als der Fertigkeit, musikalische Gedancken nach ihrem wahren Inhalte und Affect singend oder spielend dem Gehöre empfindlich zu machen. Man kan durch die Verschiedenheit desselben einerley Gedancken dem Ohre so veränderlich machen, daß man kaum mehr empfindet, daß es einerley Gedancken gewesen sind.

 §. 3.  Die Gegenstände des Vortrages sind die Stärcke und Schwäche der Töne, ihr Druck, Schnellen, Ziehen, Stossen, Beben, Brechen, Halten, Schleppen und Fortgehen. Wer diese Dinge entweder gar nicht oder zur unrechten Zeit gebrauchet, der hat einen schlechten Vortrag.

 §. 4.  Der gute Vortrag ist also sofort daran zu erkennen, wenn man alle Noten nebst den ihnen zugemessenen guten Manieren zu rechter Zeit in ihrer gehörigen Stärcke durch einen nach dem wahren Inhalte des Stücks abgewognen Druck mit einer Leichtigkeit hören läßt. Hieraus entstehet das Runde, Reine und Fliessende in der Spielart, und wird man dadurch deutlich und ausdrückend. Man muß aber zu dem Ende die Beschaffenheit desjenigen Instruments, worauf man spielet, wohl untersuchen, damit man es weder zu wenig, noch zu viel angreife. Manches Clavier giebt nicht eher seinen vollkommen und reinen Ton von sich, als wenn man es starck angreift; ein anderes wiederum muß sehr geschonet werden, oder man übertreibt das Ansprechen des Tons. Diese Anmerckung, die schon im Eingange gemacht