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Momenten zu berücksichtigen. Der Schaden[WS 1], der durch derartige schwere Indiskretionen dem deutschen Reich und dessen Regierungsstellen leicht zugefügt werden kann, kann bedeutend, ja unabsehbar nicht nur für die Heeresverwaltung, sondern für die Lebensinteressen des deutschen Volkes werden, zumal bei der großen Bedeutung, die bei einem etwaigen zukünftigen Kriege die Luftfahrt hat und bei der - worauf die beiden Sachverständigen übereinstimmend hingewiesen haben - großen Aufmerksamkeit, mit der das Ausland unsere Entwicklung auf allen Teilgebieten der deutschen Luftfahrt verfolgt. Die beiden Angeklagten waren auch durch die Vorverfahren wegen Landesverrats und Spionageverbrechens, die gegen sie im Jahre 1928 bezw. 1926 geschwebt haben und in denen sie eingehend gerichtlich vernommen worden sind, gewarnt worden. Weiter fällt die vorliegende Veröffentlichung in die Nachkriegszeit (Frühjahr 1929), in der Deutschland noch mit erheblichen außenpolitischen Schwierigkeiten zu kämpfen und noch die fremde Besatzung im eigenen Lande hatte, da das Rheinland erst am 1. Juli 1930 geräumt worden ist. Da war es eine besondere Pflicht der Presse - deren große Bedeutung für das gesamte öffentliche Leben gar keiner weiteren Ausführung bedarf vorsichtig und loyal auch die Probleme der deutschen Luftfahrt öffentlich zu behandeln. Eine Kritik am Heeresetat ist der Presse keineswegs verwehrt, auch nicht gegenüber unserer kleinen Reichswehr, aber die Grenzen zwischen sachlicher Kritik einerseits und Hetze und Verrat andererseits muß auch die Presse innehalten. Die Straftat der Angeklagten, die ihre Treuepflicht[WS 2] als Staatsbürger verletzt haben ist als eine staatsschädliche anzusprechen: Unbekümmert um die Interessen ihres Vaterlandes in schwerer Zeit und unter deren bewußter Nichtachtung haben sie aus Sensationsbedürfnis das Maß einer sachlichen Kritik weit überschritten. Der Angeklagte Kreiser ist der geistige Urheber des Artikels. Trotzdem hat das Gericht geglaubt, ihn nicht schwerer bestrafen zu sollen, als den Angeklagten von Ossietzky. Denn letzterer ist bereits viermal vorbestraft. Besonders die letzte Vorbestrafung durch das Landgericht III Berlin, wonach er hohe Militärs öffentlich schwer beleidigt hat, - die Heranziehung einer selbst getilgten Vorstrafe zur Begründung der Strafzumessung in einem neuen Strafverfahren ist zulässig (vgl. RG.Strafs. Bd. 60, S. 287) - zeigen ihn als einen Mann, der gerade in militärischen Angelegenheiten leichtfertig mit fremden Rechtsgütern in seinem Berufe

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schade
  2. Vorlage: Treupflicht
Empfohlene Zitierweise:
Reichsgericht: Urteil im Weltbühne-Prozess, AZ: 7 J 35/29 – XII L 5/31. Leipzig 1931, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WBUrteil28.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)