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Wie St. Alban war auch St. Leonhard die Schöpfung eines reformatorischen Geistes.

Diese Schöpfung ruhte zunächst auf der Initiative eines reichen Klerikers, dessen Persönlichkeit freilich wie eine halbmythische vor uns steht, des Diakons Ezelin. Dieser bewog den Bischof Rudolf dazu, eine vor der Stadt gelegene Berghöhe, die Allmendland war, „der Freiheit zu schenken“, d. h. mit der Heiligkeit und dem Frieden eines kirchlichen Ortes zu begaben; er baute dann hier die Kirche, die 1118 durch Rudolf in der Ehre der heiligen Bartholomäus und Leonhard geweiht wurde. Art und Verfassung dieser Kirche kennen wir nicht, dürfen aber vermuten, daß schon bei ihr eine Kongregation von Geistlichen sich befand. Sie empfing ansehnliche Schenkungen: von Bischof Rudolf selbst den Berg, sowie einen gegen 140 Jucharten großen Landkomplex gegen Allschwil, von Bischof Berthold Pastorat und Zehntquart in Stetten. Als ihr Prokurator wird ein Eppo genannt, und von diesem ging nun die zweite Anregung aus: das Gotteshaus der Augustinerregel zu unterstellen. Bischof Adelbero vollzog dies; Mönche aus Marbach sollen die Regel hier eingeführt haben. 1135 gab Adelbero dem neuen Stift Statuten, Papst Innocenz erteilte 1139 seine Bestätigung. Adelbero begabte das Stift auch mit dem nahegelegenen Walde. So entstand fünfzig Jahre nach St. Alban das zweite Kloster in Basel. Auch dieses, indem man sich einer neuen Auffassung zuwendete, einem neuen, strengeren, geläuterten Leben eine Statt bereiten wollte.

Wie St. Alban war auch St. Leonhard eine Gründung vor den Mauern, ein Erstes in bisher unbebautem und unbewohntem Gebiet. Aber schon die Teilnahme alles Volkes bei der Widmung der Allmend und dann wieder der Wille alles Volkes bei der Einführung der Regel gibt der neuen Stiftung ihre Eigenart. Sie ist nicht abgelegen und wendet sich nicht ab wie St. Alban, sie wurzelt im Volke, ist von Anbeginn etwas Populäres.

Zahlreiche Urkunden und ein im Jahre 1290 sorgsamst angelegtes Zinsbuch sind die Quellen für Geschichte des Leonhardsgutes.

An die Kirche angeschlossen, zog sich ihr städtisches Grundeigentum in dichtgedrängter und dem Anschein nach ziemlich geschlossener Masse über die Hänge des Leonhardsberges; die Grenzen waren in der Hauptsache gegen außen die Mauern, gegen innen Spalenberg und Gerbergasse. Das Gebiet ist dadurch gekennzeichnet, daß von allen Häusern, die auf Grund und Boden des Stiftes standen, diesem ein Schnitter gestellt werden mußte. Wie der Achtschnitter des Bischofs ist dies ein grundherrliches Recht, das der Bischof usurpierender Weise in seine Stadtherrschaft aufgenommen zu haben

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)