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stellen sich die Urkunden ein, belehren uns über die Geschichte der Hofstätten, über die Rechte des Stiftes. Eine spätere Formation steht in ihnen vor uns, das alte Eigenartige ist schon verwischt.

Zu diesem nicht mehr deutlich Erkennbaren gehört auch das Propstgericht von St. Leonhard. Es ist nur sehr ungenügend bezeugt. Kein Weistum hat sich erhalten, wie bei St. Alban; auch nicht wie dort zeigt sich später ein klares Ende durch Abtretung einer Gerichtsbarkeit an die Stadt. Es handelt sich offenbar um ein reines Privatgericht. Nur zweimal findet es Erwähnung: 1252 wird ein Streit des Klosters Olsberg mit dem Schneider Albert über eine Hofstatt, die dem Stifte gehört, vor den Propst zur richterlichen Entscheidung gebracht; 1270 präsidiert der Propst dem Gerichte, redet von dessen Uebung, spricht Recht und adjudiziert ein Haus nach dem Urteil der jurati seiner Kirche. Wer sind diese jurati? Grundherrliche Hofgeschworene? oder Gemeindevertreter, die bei Verwaltung kirchlichen Besitzes mitwirkten?

Von der sozialen Eigenart St. Leonhards war schon zu reden Anlaß. Eine Bevölkerungsschicht wurde erwähnt, die als Leonhardsgesellschaft gelten kann. Es wird auf das dort Gesagte verwiesen und hier nur eine Familie kurz namhaft gemacht, die sich in dieser Plebs deutlich abzeichnet. Es ist die Familie der Färber, ihr Stammvater der Lombarde Albertlinus, der im Färbereigewerbe reich wurde, das Basler Bürgerrecht erwarb und unter den großen Wohltätern von St. Leonhard stand. Seine Söhne Nikolaus und Bertschi wurden hier Chorherren; auch ein Konrad Färber erscheint im Konvent; die ganze, gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts breit auswachsende Familie ist ausschließlich in dieser Welt von St. Leonhard heimisch, wohnt an der Gerbergasse, giebt Zeugen zu den Urkunden des Stifts. Wie diese Lombarden gehörte auch die ganze Judenschaft in den Bereich von St. Leonhard.

Wie aber stand es nun mit der wichtigsten Betätigung des Stiftes, mit demjenigen Geistigen, um des willen eigentlich es geschaffen worden war und lebte? Es ist Folge der Dürftigkeit unseres Quellenbestandes, daß wir auch bei St. Leonhard Ausführliches und Zusammenhängendes nur über die Gutsverwaltung erfahren. Anniversarienbuch, Statuten usw. fehlen völlig. Das innere Leben des Stifts bleibt uns verschlossen.

Die Zahl der Chorherren scheint keine fest bestimmte gewesen zu sein. Nur einmal begegnet uns die apostolische Zwölfzahl, sonst ist die Anzahl der Brüder stets kleiner, um sieben bis zehn schwankend. Der Vorsteher des Stiftes ist der Propst; seine Wahl wird schon im Statut von 1135

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/155&oldid=- (Version vom 1.8.2018)