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Mitten in eine Gesellschaft voll Form Mode und Kultur trat dieser geniale Mensch von der Berghalde, an der er früher Ziegen gehütet hatte. Vom ersten Moment an eine durchaus eigenartige Erscheinung der Basler Humanistenwelt.

In Erasmus, der kurz nach ihm in Basel einkehrte, kam ihm dann diejenige Macht entgegen, die fortan auch für ihn Basel zu einem Ort ohne Gleichen erhob. Erasmus galt ihm als Vater, als Meister. Er nannte ihn den größern Teil seiner Seele, seine Zierde, sein Gestirn. Dessen Güte war ihm das kostbarste Geschenk, weit hinausgehend über Gold und Edelstein. In Briefen, in Elegien legte er seine stürmische Bewunderung des Einzigen nieder. Des Erasmus Antwort auf solche Huldigung waren Äußerungen starken Wohlgefallens. Er freute sich am Wissen Glareans, an seinem Eifer, seiner Sittenstrenge, seiner Munterkeit. Als Führer und Bannerwächter der schweizerischen Humanisten erschien er ihm.

Auch wir bewundern die Begabung, ohne Tradition und Umgebung erwachsen, getragen durch eine urnatürlich gesunde Leiblichkeit; frisch und naiv, ohne Rücksichten, geht Glarean vorwärts. Der Umfang seiner Kraft offenbart sich in einem erstaunlichen Reichtum von Interessen und Leistungen.

Sofort beginnt das Universitätsleben Glareans. Er ist unter den Immatrikulierten des Sommersemesters 1514; am 2. Juni wird er als Kölner Magister in das Magisterkonsortium aufgenommen. Er erhält auch einen Lehrauftrag und bezieht vom Rat eine Besoldung. Aber nur während kurzer Zeit. Seine Zänkereien mit der Universität zeigen, wie wenig er sich in die akademischen Formen zu fügen vermag.

In ähnlicher Weise steht der heftige zornmütige, von rasch wechselnden Stimmungen beherrschte Glarean auch im Kreise seiner humanistischen Genossen isoliert. Von Allen geschätzt, aber Keinem ganz sympathisch. Voll von Geist und ursprünglichem Leben, ist er doch, mit der Vehemenz und gelegentlichen Grobheit seines Wesens, mit seiner sich überstürzenden, Witz und Spott heraussprudelnden Rede, mit seinem Selbstgefühle, kein bequemes Element im Ganzen der Sodalitas.

Das Kastigatoren- und Editorenleben der andern befriedigt ihn nicht. Er bedarf einer persönlicheren Produktion. Ein unerbittlicher Arbeitswille treibt ihn. Er hat auch den Drang zum unmittelbaren Verkehre, zu Menschen und zum Leben, er hat seine Freude an der Jugend. Er ist der geborne Lehrer; und als solcher erfüllt er eine Funktion für die Schweiz.

Schon gleich nach seiner Herkunft, im Juni 1514, erhält er von der Fakultät — ausnahmsweise und wohl auf Grund guter Empfehlungen — die Erlaubnis, eine Burse zu betreiben. Nicht eine der beiden Fakultätsbursen,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)