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Schmuckwerk beigefügt ist, was Jahr um Jahr an Poemen in die Rektoratsmatrikel geschrieben wird, ist durchweg eine ganz äußerliche Leistung. Aber in derselben Matrikel steht auch ein Gedicht Glareans, zum Rektorate des Peter Wenk 1515 verfaßt, und wie beträchtlich ist sein Abstand von den Produkten des Lucas Klett, des Mathis Hölderlin u. dgl.!

Glarean ist in der Tat der Einzige der Sodalen, der hier, wo von Poesie die Rede ist, beachtet werden darf. Er bringt den Dichterlorbeer schon mit nach Basel, von der Krönung durch Kaiser Max in Köln, und was dann hier folgt, scheint diese Ehre zu rechtfertigen.

Zu Ende seines ersten Basler Jahres, 1514, veröffentlicht er das große Gedicht der Descriptio Helvetiae, das wir kennen; dann im Dezember 1516, vor seiner Abreise nach Paris, eine Sammlung von in Köln und Basel gedichteten Elegien. Dieses zierliche Heft bietet uns Anderes als die versifizierte Gelehrsamkeit der Descriptio. Nicht ein Land soll Glarean beschreiben; hier hat er geliebte Menschen vor sich, und dies ists, was ihn sichtlich ergreift und seine Verskunst, bei aller Konventionalität, doch zum schönen Gewande von Leidenschaft und Leben macht. Zwei Hauptthemen kehren durch das ganze Büchlein wieder im Klange zahlreicher Variationen: die Verherrlichung des Erasmus und die Verachtung der törichten Welt durch den hienieden zwar in Finsternis befangenen, aber zu ewigen Gestirnen strebenden Geist.


Das Latein — ihm hauptsächlich gehören diese stilistischen Bemühungen — ist die Gelehrtensprache von universaler Geltung und überhaupt die Sprache höherer Kultur. Wie der Niederländer mit dem Italiäner lateinisch korrespondiert, so der Basler Humanist mit dem Pariser. Auch in der mündlichen Unterhaltung erscheint diesen Leuten das Latein als das ihrer würdigere Idiom. Ohne Prätension vermögen sie lateinisch zu denken, ist Reden und Schreiben in dieser Sprache das Natürliche, das keinen Entschluß braucht und an sich keine Anstrengung macht.

In solcher Leichtigkeit und Universalität dauert aber bisheriger Brauch einfach weiter.

Das Scholastiker- und Juristen- und Mönchslatein der media aetas steht vor den Humanisten als eine lebende Weltsprache. Festgehalten in unzähligen Büchern, die in Jedermanns Händen sind; den Unterricht beherrschend; getragen durch die innere Macht der Werke, deren Sprache sie ist, und der tatsächlichen Bedürfnisse, denen sie dient. Nicht mehr die Sprache Ciceros, aber den Erfordernissen des Alltags wie der Wissenschaft angepaßt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.8.2018)