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Der altgläubigen Partei gegenüber, die nur Bestehendes behaupten oder verlieren konnte und nichts Neues schaffen wollte, waren die Neugläubigen im Vorteile durch die Aufgaben und Aussichten des Eroberns Erneuerns Entdeckens. Aber sie vertraten auch, dem angesessenen und überlieferten Fertigen gegenüber, das erst Beginnende und dem Einheitlichen gegenüber das Zersplitterte. Außerdem handelte es sich bei ihnen um Import; die neue Lehre kam von außen, und die Meisten unter ihren Verkündigern waren Fremde.

Höchst bewegt ist das Bild dieser Anfänge. Sobald die Scheu vor der Tradition aufgegeben worden, war kein Halten mehr. Das persönliche Erfahren des Einzelnen und das Wegfallen kirchlicher Herrschaft und Sitte schufen Raum für unendliche Varietäten. Im Gefühle neuer Freiheit regte sich und wogte Alles.

Daß der Begeisterung bald ein Erlahmen folgte, war natürlich. Einzelne fürchteten, nach den ersten Triumphen stehen zu bleiben oder irre zu gehen. Gefährdungen andrer Art kamen durch Übereifer und Ausschreitung. Und auch solche Evangelische gab es, „die ein klug Geschwätz aus dem Evangelio gelernt hatten, aber in ihrem Wandel keineswegs zeigten, Gottes Kinder zu sein“.

Von allgemeiner Wichtigkeit aber war diese Parteibildung selbst. Daß eine Initiative höherer Art in der Bevölkerung erwachte, neue Bildungen aus dem Konnexe der Kirche heraus wuchsen, die Kraft der Kirche abgetrennt in solchen Laiengemeinschaften wirksam wurde, bedeutete eine mächtige Bereicherung städtischen Lebens.

Die lutherischen Predikanten der ersten Jahre — Lüthart Reublin Bertschi Wissenburg Frauenberger Stör Kettenacker — haben schon Erwähnung gefunden. Ihre Reihe ändert sich teilweise und erweitert sich.

Marx Bertschi, der im Herbste 1519 Leutpriester der St. Theodorsgemeinde geworden war, bekleidete dieses Amt bis ins Jahr 1523, bis zur Übernahme der Pfarrei zu St. Leonhard.

Zu St. Ulrich beim Münster folgte auf Martin Glewell alias Textoris als Leutpriester der Magister Jacob Imelin von Pfaffenweiler im Breisgau; seine erste Erwähnung an dieser Stelle finden wir im Mai 1523.

Ferner trat zu dieser Predikantengruppe, als Prediger des Augustinerklosters, der von St. Gregoriental im Elsaß gebürtige Thomas Girfalk, früher Lesemeister des Augustinerklosters in Freiburg i/U., von wo er seines evangelischen Bekenntnisses wegen vertrieben worden war; durch Cornelius Agrippa empfohlen kam er im Januar 1524 nach Basel.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/361&oldid=- (Version vom 1.8.2018)