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des Autors durch Aleander Scaliger u. A. rief und zum großen Philologenstreit über den Ciceronianismus den Anlaß gab.


Es ist im Ganzen ein Gelehrtenwesen, das sich von demjenigen der letzten Zeit deutlich unterscheidet.

Merkwürdig rasch haben sich die verschiedenen Disziplinen entwickelt; Alles ist ruhiger und gewissermaßen verheißungsloser geworden. Auch empfinden sich die wenigen Großen nicht mehr in so entlegener Einsamkeit; die Nachgeordneten sind ihnen jetzt näher und zugleich zahlreicher. Eine starke Steigerung des Durchschnittes ist unverkennbar, wobei wir, vom Individuellen absehend, mit einem allgemeinen, unerhört beschleunigten und intensiven Wachstum zu rechnen haben.

Außerdem sehen wir statt des jugendlichen Vordringens ein ruhiges Begründetsein. An Stelle eines großartig Alles umfassenden Wollens und Vollbringens beginnt eine Arbeitsteilung. Interesse und Vermögen der Einzelnen verengern sich. Nicht mehr so entschieden wird gedacht im Geiste der persönlichen Vollendung; statt der glänzenden Trilingues haben wir jetzt vortreffliche Spezialisten.

Daß hiebei der Sodalitätsbegriff schwächer wird, seine Wirkung schwindet, ist nur eine Einzelheit. Der Zustand der ganzen Gruppe ändert sich überhaupt. Schon deswegen, weil der Humanismus nun auch an der Universität zu herrschen beginnt. Aber auch das ist von Wichtigkeit, daß der konfessionelle Gegensatz in die alte Geschlossenheit hineingreift. Es kommt zu einem Auseinandergehen. Die große gelehrte und ästhetische Bewegung löst sich aus dem großen Zusammenhange, in dem sie vorher gewesen. Indem jene Einheit von eruditio und pietas, für die vor einem Jahrzehnt die Humanisten eintraten, nicht mehr behauptet werden kann, ist dem Humanismus das Bewußtsein einer umfassenden Bedeutung genommen.

Wenn somit im Ganzen eine andre, weniger einheitliche Stimmung waltet, so tritt das Persönliche mehr hervor. Der Einzelne kommt in seiner Art mehr zur Geltung. Nachdem humanistische Stilisierung und hohes Gemeinschaftsgefühl die Schärfe des Bildes vielfach geschwächt haben, erhält es jetzt Kontur und Körper.

Wie etwas Notwendiges erscheint, daß der Ton des ganzen Lebens und Treibens in diesem Kreise sich herabstimmt. Die einstige Festlichkeit des Empfindens und des Ausdruckes und der Alles mit gesteigertem Wohlgefallen erfüllende Enthusiasmus gehen dahin. Namentlich die Briefwechsel sind überzeugende Dokumente dieses Wandels, in der Verminderung der Korrespondenz überhaupt, im Nachlassen der frischen. Allem zugewendeten Lebendigkeit.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/476&oldid=- (Version vom 1.8.2018)