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In bedeutsamen Mandaten verkündete jetzt der Rat wiederholt seinen Willen. Am 23. September 1527: Niemand werde gezwungen, Messe zu halten oder zu hören, sondern solle Solches dem Gewissen eines Jeden anheimgestellt bleiben; am 21. Oktober 1527: Jeder solle seines Glaubens frei sein und Niemand genötigt werden, Messe oder nicht, diese oder jene Predigt zu hören, sondern solle dies eines Jeden Conscienz anheimgestellt sein; am 29. Februar 1528: weil der Glaube eine Gabe Gottes und nicht von den Menschen verliehen, daher es unbillig sei, daß ein Bürger oder Nachbar von des Glaubens wegen, der doch in keines Menschen Gewalt, den Andern hasse, solle Jeder frei sein zu glauben, nach dem ihm von Gott Gnade verliehen und was er seiner Seele Heil zu sein verhoffe.

Den Parteiführern allerdings, die für ausschließliche Geltung der von ihnen vertretenen Doktrin einzustehen innerlich verpflichtet waren, mußte eine derartige Toleranz unerträglich vorkommen; mit dem Ende des Religionskampfes und dem Siege der einen Partei war es daher auch um die Toleranz geschehen. Aber während der wenigen Jahre ihrer Geltung war sie der Ausdruck einer nicht gewöhnlichen Denkweise. Dem Zwang und Terror der Parteien gegenüber hat dieses obrigkeitliche Bekenntnis zur Achtung der freien Conscienz, das natürlicherweise unter dem Vorbehalte der Wahrung von Frieden und Ruhe geschah, etwas Großes. Es war etwas dem Orte Basel, der schon so Vielen Asyl gewährt, so manche anderswo unmöglich gewordene Fremdlinge und Flüchtlinge geduldet hatte, durchaus Gemäßes. Humanistischer Geist war darin. Es ersetzte die Gedanken, die zum Predigtmandat von 1523 geführt hatten, durch eine andere, weitere Anschauung. Es war zugleich ein Preisgeben des alten Prinzips, daß die Obrigkeit verantwortlich sei auch für das Seelenheil ihrer Untertanen.

In welcher Verwirrung aber diese Einwohnerschaft war, zeigt uns der neutrale Beobachter Amerbach: „die Priester wollen nichts preisgeben und sich nicht ändern. Dieselbe Starrköpfigkeit findet sich bei ihren Gegnern. Und nun streiten die Päpstler mit den Lutherischen, die Lutherischen mit den Sakramentierern. Tausend Abarten des Glaubens wollen heute Geltung haben. Soviele Köpfe soviele Meinungen. Für sakrosankt hält Jeder seine Träume.“

Auch aus Zeugnissen andrer Art tritt uns dieses Bild entgegen. Aus dem Verbote der schon ganz zur schlimmen Übung gewordenen Schmählieder und Spottreden; aus der Bestrafung Einzelner, die den Bürgermeister Meltinger, den Wolf Harnisch, den Ratsherrn zu Schuhmachern usw. verlästern. Hans Seiler, der Wächter über Rhein, schilt die aus dem Gottesdienste

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/511&oldid=- (Version vom 1.8.2018)