Seite:Was die Heimat erzählt (Störzner) 102.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gräfin Cosell.

46. Der Zauberberg bei Langenwolmsdorf.

Östlich von der Burg Stolpen erhebt sich in der Nähe von Langenwolmsdorf ein kahler, mit wohlgepflegten Feldern umzogener Berg, dessen Höhe ein Baum krönt, der weithin sichtbar ist. Diesen Berg umschwebt die Sage. Sie erzählt folgendes:

In diesem Berge befindet sich eine große Höhle. Darin liegt die Gräfin Cosell,[WS 1] welche über 40 Jahre als Gefangene auf der Burg Stolpen war, begraben. Den größten Teil ihrer Schätze hat sie mit hierher genommen; aber die Gräfin findet in diesem Berge keine Ruhe. Tag und Nacht wandelt sie umher. Schon manchem ist sie begegnet, besonders solchen Leuten, die während der Mittagsstunden draußen auf den Feldern bleiben. Die Gräfin, welche bei Lebzeiten als eine große Schönheit galt und noch als Greisin solchen Ruhm genoß, erscheint als ein liebliches Wesen und gibt solchen Leuten, welche ihr standhalten und nicht furchtsam fliehen, reichlich von den Talern, die sie mit in ihr Grab genommen hat.

Einst hütete ein Schäfer an jenem Berge die Herde. Da erschien ihm plötzlich eine wunderschöne Jungfrau. Dieselbe trug ein weißes Kleid und um den Leib ein schwarzes Gürtelband. Die hat ihn gefragt, ob er ihr helfen wolle, und als er ja gesagt, hat sie sich nach dem Berge zu gewendet und ihm gewinkt, ihr zu folgen. Als der Schäfer dort anlangte, wohin ihn die Jungfrau führte, tat sich plötzlich der Berg auf. Ein Gang und eine weite Halle waren zu sehen. Am Ende der Halle war ein breiter Wassergraben, über den aber keine Brücke führte. Da sprach das Mädchen zum Schäfer: „Auf! springe hinüber!“ Der Schäfer hat aber geantwortet: „Er ist zu breit!“ – Nochmals bat ihn die Jungfrau. Nun versuchte es der Schäfer zweimal, aber vergeblich, er war zu alt und steif, um über den breiten Wassergraben zu springen. Da hat sich drüben über dem Graben ein großes Tor aufgetan, und der Schäfer erblickte in einem weiten Saale viele Männer mit langen, weißen Bärten, die da an einer Tafel saßen. Eine Stimme aber rief: „Abermals

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel (1680–1765), Mätresse Augusts des Starken
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)