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Bald erschien unter Einfluß dieses Kanzlers Crell auch eine kurfürstliche Verordnung, durch welche alle Angriffe gegen andere Religionsansichten auf der Kanzel verboten wurden; denn bisher war es geschehen, daß die lutherisch Rechtgläubigen öffentlich von der Kanzel herab gegen das Treiben der Krypto-Calvinisten eifrig gepredigt hatten. – Den Kurfürsten selbst suchte dessen in Dresden lebender Schwager, der reformierte Pfalzgraf Johann Casimir, für die calvinische Lehre zu gewinnen. Dazu war Crell bemüht, dieselbe allmählich im ganzen Lande einzuführen. Der gegen die Krypto-Calvinisten eifernde Superintendent von Leipzig, Dr. Selnecker, wurde 1589 seines Amtes entsetzt. Um nicht durch die Presse in seinem Treiben gehindert zu werden, bildete Crell, die Hofprediger Salmuth und Steinbach an der Spitze, eine sogenannte „Hof-Zensurcommission“ für alle theologischen Schriften, die an diese drei Männer zur Prüfung und Durchsicht eingesandt werden mußten. Alle theologischen Schriften, die in irgend einer Weise dem Sinne der Krypto-Calvinisten schaden konnten, wurden gestrichen und die Veröffentlichung derselben wurde streng verboten. Zugleich arbeiteten diese Männer, die an den Superintendenten Schönfeld in Dresden, Dr. Harder in Leipzig, Birnbaum in Wittenberg und Pastor Dr. Gundermann in Leipzig Gleichgesinnte hatten, an neuen Ausgaben der Bibel und der Katechismen im Sinne der Krypto-Calvinisten, um auf diese Weise ihre Lehre in’s Volk und in die Schule zu bringen. Bis dahin war es kirchliche Sitte gewesen, bei der Taufe eine Formel auszusprechen, welche sich auf die Austreibung des Teufels aus dem Täufling bezog. Diese Formel bezeichnete man mit dem Namen oder Ausdruck „Exorcismus“. Der Kurfürst Christian hatte bei der Taufe seiner Prinzessin Dorothea mit der Weglassung dieser Formel den Anfang gemacht. Darauf ging durch das ganze Land der Befehl, daß der „Exorcismus“ bei der Taufe wegzulassen sei. Denjenigen Geistlichen, die diesen Befehl zu unterzeichnen sich weigerten, drohte Amtsentsetzung. Viele Geistliche, welche sich nicht zur Unterzeichnung entschließen konnten, wurden auch tatsächlich abgesetzt, darunter auch der Oberhofprediger Dr. Mirus, welcher seiner freimütigen Äußerungen wegen auf der Festung Königstein gefangen gesetzt ward. Den höheren Ständen erschien die neue Verordnung ganz zweckmäßig, doch bei dem Volke zeigte sich die hartnäckigste Widersetzlichkeit. Manche Eltern ließen ihre Kinder nun gar nicht taufen, andere schickten sie in’s Ausland, um an ihnen die Austreibung des bösen Geistes doch noch vollziehen zu lassen. In Dresden erschien einst am Taufsteine mit den Paten seines Kindes auch dessen Vater, ein Fleischermeister, und drohte, mit dem geschwungenen Beile in der Hand, dem betreffenden Geistlichen den Kopf zu spalten, wenn er nicht sofort das Kind mit dem Exorcismus taufen wolle. Auch an anderen Orten kam es zu unruhigen und heftigen Auftritten. Der Grund dieses Widerstandes von seiten der Geistlichen und der Grund der Erbitterung, mit welcher sich das Volk an diesen Streitigkeiten so lebhaft beteiligte, ist hauptsächlich in der Überzeugung zu suchen, daß durch Weglassung des Exorcismus der Calvinismus begünstigt werde und dem Volke das liebgewonnene Luthertum entrissen und eine andere Lehre an dessen Stelle gesetzt werden sollte. Doch mit dem Tode des Kurfürsten trat für die besorgten Lutheraner eine günstige Wendung der Dinge ein. Da die Söhne des so jungverstorbenen Kurfürsten noch minderjährig waren, übernahm auf die Dauer der Minderjährigkeit des älteren Prinzen der Vormund desselben, Herzog Friedrich Wilhelm von Weimar, die Regierung der kursächsischen Lande und schlug seinen Wohnsitz in Torgau auf. –

Friedrich Wilhelm von Weimar, sowie seine Gemahlin Sophie, waren

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_124.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)