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ihre Frau Großmutter aber die wohlgeborne Freifrau Frau Anna Dorothea aus dem Hause Rantzau im Holsteinischen. Die Cosell vermählte sich Anno: 1699 an Adulphum von Hoym und entschlief in Gott, nachdem sie ihr ruhmvolles Alter auf 84 Jahre, 5 Monate und 13 Tage gebracht, den 31. 3. 1765.“ –

Der Eingang zur Sankt Barbarakapelle befindet sich auf der Nordseite. Im Innern sieht man an der westlichen Mauer noch eine alte Steintreppe, die jedenfalls in den sogenannten Kapitelturm emporführte, in dem sich zwei große „Capituls-Stuben“ befanden, woselbst sich „die Canonici“ (Dom- oder Stiftsherren) versammelten. Die Schloßkapelle trug auch einen Turm, in dem drei Glocken hingen, die aber beim Wegzug des letzten Bischofs mitgenommen worden sind. Im Jahre 1660 wurde dieser Turm ausgebessert, der alte zinnerne Knopf abgenommen und am 23. Juli desselben Jahres ein kupferner, 23 Pfund schwerer aufgesetzt. In dem damals abgenommenen Turmknopfe befanden sich einige „Agnus Dei“ (Andachtsbildchen). Dieselben waren aus Wachs hergestellt und in schwarzen Sammet eingenähet, wurden aber im neuen Turmknopfe wieder beigelegt und somit sorgfältig aufbewahret.

Heute ist aber von jenem Turme der Schloßkapelle nichts mehr zu sehen. Derselbe ging 1813 verloren. Von ihm sind nur noch die Grundmauern übriggeblieben. Der blaue Himmel bildet heute das Gewölbe der ehemaligen Schloßkapelle zu Stolpen. Der Zahn der Zeit nagt gewaltig an ihr, doch wird sie trotzdem gewiß noch Jahrhunderte der Witterung widerstehen; denn die festen Basaltmauern scheinen für die Ewigkeit erbaut zu sein.

Um das Gemäuer der alten Burgkapelle hat Frau Saga ein duftendes Gewand gehüllt; denn die Sage flüstert so gern in Ruinen, schwebt um stolze Burgen und thront auf Felsensteinen. Nachts hört man oftmals ein seltsames Klingen von der alten Burgkapelle her. Das sollen die silbernen Glocken sein, welche einst die frommen Beter zur Andacht riefen. In dunklen Herbst- und Winternächten, wenn der Sturmwind rasend durch das alte Gemäuer der Burg fährt, vernimmt man aus dem verfallenen Kirchlein Chorgesang wie von Geisterstimmen. In der Burgkapelle hält man Mette zur Mitternacht. – Gespenstische Schatten huschen hin und her. Ein Trauerzug bewegt sich nach dem stillen Kirchlein. Ein müder Pilger wird zur letzten Ruhestätte gebracht, doch wenn die alte Burguhr die erste Morgenstunde verkündet, dann ist aller Spuk urplötzlich verschwunden.

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Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)