Seite:Was die Heimat erzählt (Störzner) 164.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

solcher, auf Schiebeböcken in’s Lazarett nach Dresden gefahren. Da gab es Jammer zu sehen! Verstümmelte Glieder, weitklaffende Wunden, – aber die Gewohnheit hatte das Gefühl abgestumpft. Da in den Ortschaften unserer Gegend Pferde und Wagen selten geworden waren, so mußten auch von hier aus viele Männer mit Schiebeböcken gestellt werden. So wurden denn die armen Menschen auf holprigen Wegen über Steine und Pflaster gefahren und lagen gewöhnlich nur auf ein wenig Stroh ohne weiche Unterlage. Manche Unbarmherzige schoben die scheinbar Toten von ihren Wagen oder Schiebeböcken und kümmerten sich nicht darum, ob sie auch die Augen wieder aufschlugen. Am 30. Mai mußte Großröhrsdorf 50 Schiebeböcke mit etwas Stroh versehen und zu jedem zwei starke Männer auf den „Fuchs“ bei Schmiedefeld schicken, um Verwundete nach Dresden zu fahren. In gleicher Weise mußte das Dorf am 4. Juni 40 Schiebeböcke auf den „Fuchs“ besorgen; wo die unglücklichen Passagiere auf gleichen Fuhrwerken von Bautzen her ankamen, und denselben Tag nochmalige 40 Schiebeböcke, bemannt wie die vorigen, ebenfalls auf den „Fuchs“. –

Was für ein Wogen und Drängen in jener Zeit auf dem „Fuchse“ gewesen sein muß, kann man daraus schließen, was der damalige Pastor Jacob in Schmiedefeld hierüber wörtlich berichtet:

„In diesem Jahre 1813 hatte Schmiedefeld an Einquartierung 4 Divisions- und 10 Brigadegeneräle, 32 Oberste, 28 Oberstleutnants, 49 Majore, 387 Oberoffiziere, 468 Unteroffiziere, 33884 Gemeine, 538 Pferde, für welche ebensoviel Rationen geschafft werden mußten, 213 Spannpferde. Dazu mußte das Dorf 80 Wagen und 2 Chaisen, 14 reitende und 144 Fußboten stellen. Die Mannschaften kosteten der Gemeinde 12657 Taler 16 Groschen, die Rationen für die Pferde 2294 Taler 4 Groschen, die Spannwagen 242 Taler 12 Groschen, die Boten 27 Taler 18 Groschen und die Hauptsumme 15322 Taler 2 Groschen. Was geliefert worden ist an Wagen, Vieh, Heu und Stroh, nebst der ganzen Ernte beträgt 43608 Taler 16 Groschen, nämlich 240 Taler 8 Groschen war die Lieferung und die Prästande, 43368 Taler 8 Groschen mit Inbegriff des Schanzens, Todtenbegrabens und Pferdeverscharrens.“

Bis in den Herbst 1813 hinein waren die Kriegslager in der Nähe des Fuchses aufgeschlagen. Die Bewohner des Fuchses und des nahen Dorfes hielten oft tagelang in den umliegenden Wäldern sich an verborgenen Schlupfwinkeln auf, da sie vielfach des Lebens nicht sicher waren. Nur zur Nachtzeit wagten sie sich schüchtern herbei, um zu sehen, wie alles stehe und ob ihr Heim noch erhalten sei oder nicht. Ließen die Bewohner sich sehen, so wurden sie oft mißhandelt und bis auf den Tod geängstet. Ruhigere Zeiten traten erst mit dem Jahre 1814 ein. Über das sonstige Verkehrsleben im „Fuchs“ vergl. „Schmiedefeld vor 60 Jahren“.

An die verkehrsreiche Zeit erinnern heute die großen Gastzimmer, der weite Hof, die große Küche, die umfangreichen Stallungen.

Der Aufenthalt auf dem „Fuchse“ ist auch heute noch nicht uninteressant. Die altehrwürdigen Gebäude reden zu dem, der Sinn für die Vergangenheit hat. Sie erinnern ihn lebhaft an den Wechsel der Zeiten. Die Jahrhunderte ziehen an seinem Geiste vorüber. Vor seinem Auge entrollt sich ein interessantes Bild nach dem anderen, von der Gründung der Bautzener Landstraße an bis zur Gegenwart.

Nimmt man Platz am Fenster des geräumigen Gastzimmers, mit dem Blick nach der Landstraße zu, oder setzt man sich zu längerer Rast an einem

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_164.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)