Seite:Was die Heimat erzählt (Störzner) 247.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
113. Möhrsdorf.

Zwischen Pulsnitz und Elstra liegt im Tale der kleinen Pulsnitz am nordwestlichen Fuße des Ohorner Steinberges, den der Rehnsdorfer Burgstall, eine alte Heidenschanze, krönt, das hübsche Dörfchen Möhrsdorf mit einem Rittergute, das Jahrhunderte hindurch im Besitze adeliger Familien gewesen ist. In früheren Zeiten schrieb man den Namen dieses Ortes Mehrsdorf, wie im Gersdorfer Kirchenbuche diese Schreibart zu finden ist. Der Name des Dorfes soll nach der Sage an eine Gottheit erinnern und zwar an die Göttin Möra, die einst in der Möhrsdorfer Gegend und auf dem nahen Hoch- oder Sibyllensteine verehrt worden sein soll. – Die Mören waren im Heidentume die Schicksalsgöttinnen, die jedem sein Geschick zuteilten. Bei den alten Griechen nannte man sie Moirai, bei den Römern Parcae oder Parzen. Sie sind dunkle, unerforschliche Schicksalsmächte, die den Menschen Gutes und Böses geben. –

Um die Zeit 1170 wurde Möhrsdorf durch den Bischof Gero erweitert. – [1]


114. Das Weidigt bei Gelenau.

Die Landstraße von Kamenz nach Bischheim und Gersdorf führt durch das Dorf Gelenau und an dem „Wüsten Berge“ vorüber, der dem Golksberge und dem Heiligen Berge gegenüberliegt. Da, wo die Straße hinter Gelenau zum ersten Male die Eisenbahn kreuzt, befindet sich am Ostabhange des „Wüsten Berges“ ein kleines Gebüsch und in dessen Nähe ein kleiner Teich. Diese Gegend nennt man das Gelenauer Weidigt und ist als solches auch auf den Generalstabskarten verzeichnet. Das Gelenauer Weidigt gilt im Volke als ein unheimlicher Ort, und nicht jedermann geht hier, besonders in nächtlicher Stunde, gern vorüber; denn an dieser Stätte soll schon allerlei Geisterspuk sich ereignet haben. Der Wanderer vernimmt zu Zeiten in der Nacht Aechzen und Stöhnen, Seufzen, Zischen, Schnarren und Pfeifen. Aus dem Röhricht hört er kreischende Stimmen. Blaue Flämmchen steigen aus dem Wasser auf, und greuliche Gestalten sind im Wasser zu erblicken. Zuweilen hocken die Spukgeister dem Vorübergehenden sogar auf. –

Diese Geister sollen eine Rotte wüster Gesellen sein. Im Jahre 1537, am Vorabende des heiligen Christfestes, waren aus dem Dorfe Neukirch eine Anzahl Bauernburschen nach Pulsnitz gegangen, um hier Weihnachtseinkäufe zu machen. Hier in Pulsnitz hatten sie aber auch im Trinken etwas zu viel getan und sich einen tüchtigen Rausch geholt. Als sie sich endlich auf den Heimweg machten, war es bereits dunkel geworden, außerdem hatte ein tüchtiges Schneegestöber sich eingestellt. Nachdem die Burschen


  1. Alte Kirchengalerie 1840, Abt. Oberlausitz, 1. Lieferung.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_247.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)