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verstand es, seine Zuhörer zu fesseln. Mit einer wahren Begeisterung sprach er, und der Wohllaut seiner Stimme drang erwärmend in die Herzen der Versammelten. Man lauschte andächtig seinen Worten und merkte dabei gar nicht, wie das Unwetter draußen immer bedrohlicher tobte und förmlich raste. Auf jeder Silbe des Sprechers lag eine höhere Weihe, und das düstere Walten der Elemente außerhalb des Gotteshauses erhöhte die fromme Andacht nur noch mehr. Der begeisterte Kantor war in seiner Vorlesung eben bis zu den Worten gekommen: „Die Sturmglocke tönt; hast du

Kirche zu Stadt Wehlen.

nur eine Hand, mit der du helfen kannst, so säume nicht! Fort, fort, wer helfen kann!“ – Noch waren aber diese Worte nicht ganz verhallt, als plötzlich, gleich einer Wahnsinnigen, eine Frau in die Kirche hereingestürzt kam. Ihre Blicke und Mienen kündeten Furcht, Schrecken und Entsetzen an. Mit bebender Stimme rief sie: „Rettet euch! Rettet euch! Die Flut kommt!“ – Die andächtigen Kirchenbesucher vernahmen den Notschrei, der von der Wölbung der Kirche schaurig zurückhallte. Viele, die das hastige Eintreten der Frau nicht bemerkt hatten, glaubten, man habe es mit einer Irrsinnigen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_320.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)