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Der Herr neben mir ruft leise: „Donnerwetter – schick!“

Ganz recht: die Dame ist schick angezogen. Dabei ist sie dem Gesicht nach nur Durchschnitt. Ganz weiß, geschlossene Bluse, die hier einen etwas langen Hals verdeckt. Um die Schultern eine weiße Federboa. – Man freut sich. Auch über die Haltung und die Art zu gehen. Der Kopf wird gerade getragen, in der ganzen Gestalt liegt etwas Straffes, der Schritt ist ruhig, natürlich. –

Die Körperhaltung, der Gang! Wie viel wird dagegen gesündigt! Wie schlecht wirkt ein vorgestreckter Kopf, ein hastiger oder geziert leichter Gang! Zu einer schönen oder schön sein wollenden Frau gehören gemessene, abgerundete Bewegungen. –

Ein neuer wandelnder Fehler: eine sehr üppige Dame mit einer ganz prall über der Brust anliegenden Bluse. Wenn hier die unschöne Fülle durch eine gefällig garnierte Bluse geschickt verdeckt wäre, würde der Gesamteindruck ein anderer sein.

Nun tauchen ein paar kleine Mädelchen auf, so etwa zwölfjährig. Die Eltern können sich’s offenbar leisten, ihre Kinder in Seide herumlaufen zu lassen. Aber – daß sie aus ihren Kindern auf diese Weise Äffchen machen, die jeder Verständige belächelt, wissen sie offenbar nicht. Eltern von feinem Geschmack werden ihre Sprößlinge nie zu wandelnden Modepüppchen erziehen. Man kleide Kinder kindlich, wie es sich gehört. –

Worin besteht nun die Kunst, sich vornehm zu kleiden? – Sehr einfach: In der Schlichtheit, der Unauffälligkeit des Anzugs, der richtigen Farbenwahl und in einer Machart, die der Figur entspricht. Wer „Dame“ sein will, vermeide es, sich „aufzudonnern“. Durch auffällige Eleganz wirkt man nie vornehm. –

– Und die Herrenwelt? – Hier kann ich mich kürzer fassen. Auch hier bleibt die Hauptbedingung: Vermeide das Auffällige! Werde nicht Gigerl! Bilde Dir nicht ein, Du machtest Eindruck durch braune Schuhe mit weißen Gamaschen, durch strengste Befolgung der augenblicklichen Mode. Besonders ältere Herren sollten sich hiervor hüten. Diskret gemusterte Stoffe für den

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)