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entstanden, ganze Familien in ihrem Frieden gestört worden.

Rücksichtnahme ist sehr nahe verwandt mit Taktgefühl. Der taktvolle Mensch wird auch stets rücksichtsvoll sein. Takt ist ja angeboren, entspricht dem Charakter. Und demselben Charakter können nicht gut Rücksichtslosigkeiten entquellen.

Es gibt sogenannte Kraftnaturen, die glauben, sie könnten überall mit ihrem harten Schädel hindurch. Das sind bedauernswerte Narren, Leute, die sich selbst überschätzen, Störenfriede der Gemütlichkeit. In ihnen steckt noch ein gut Teil Barbarentum. Der kultivierte Mensch lebt mit kultivierten Menschen zusammen. Da kann nicht einer kommen und sagen: „Ach was – ich bin ich, – wenn ich nur mein Wohlbehagen finde, wenn ich nur so leben kann, wie ich will, – den Deubel um die Anderen!“

Gerade das Rücksichtnehmen aufeinander hat in letzter Zeit sehr gelitten. Ein ungesunder Egoismus, eine vor nichts zurückscheuende Selbstsucht macht sich überall breit, zeigt sich im kleinen und großen.

Das muß anders werden. Helft, daß es anders wird. Beobachtet Euch, ob nicht auch Ihr Euch diese oder jene Rücksichtslosigkeit angewöhnt habt. Ihr habt es sicher! Jeder ist durch die Kriegsjahre etwas aus dem seelischen Gleichgewicht geraten. Hütet Euch, daß Ihr Euch nicht noch mehr von winzigen Rücksichtslosigkeiten angewöhnt! Ihr könntet dadurch plötzlich das werden, was niemand sein möchte, der höheres Streben hat: unfein!

Zum guten Ton gehört die Rücksichtnahme. Wo die Rücksichtslosigkeit wie eine Krankheit ein Volk ergreift, geht auch ein Stück Kultur zu Grunde: der Anstand!

Einzelfälle, kleine und große Rücksichtslosigkeiten hier aufführen? – Unmöglich! Es genügt, wenn jeder durch diese Zeilen angeregt wird, mit sich selbst einmal ins Gericht zu gehen und zu prüfen, ob er sein Benehmen nicht in diesem und jenem Punkte ändern kann, ob es ihm nicht möglich ist, rechtzeitig zu Tisch daheim zu sein, ob er nicht beim Nachhausekommen unnötigen Lärm vermeiden, ob er als Ehemann nicht für ein paar

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.8.2018)