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aufeinander! – Und das heißt in weiterem Sinne: Unterdrückt Eure Eigenheiten zum Wohle der Allgemeinheit!

Eine Mutter, die vom Sauberkeitsteufel geplagt ist und dem Manne und dem Sohne das Rauchen daheim „der Gardinen wegen“ und „der umhergestreuten Asche wegen“ verbietet, jagt sie ins Wirtshaus; ebenso die, die „es nicht leiden kann“, wenn nach dem Abendbrot am Familientisch von der Tochter an einer Stickerei gearbeitet wird, weil es „Fusseln auf den Teppich gibt“, oder die lesen will und daher keine Unterhaltung liebt. – Diese selbstsüchtigen und zumeist recht kleinlichen Eigenarten, die den Kindern das Elternbaus verleiden, haben so unendlich viel Variationen, daß man sie unmöglich alle aufzählen kann. So kenne ich ein älteres Ehepaar, das – aus Sparsamkeit die Gaslampe nach dem Abendbrot stets so schwach brennen ließ, daß stets ein mystisches Halbdunkel herrschte, bei dem man nicht mal lesen konnte. Der Sohn, Assessor, lebte daher ausschließlich im – Wirtshaus.

Wer also die Kinder gern daheim sieht, mache es ihnen genau so behaglich wie lieben Gästen. Wir Deutsche sind durch unsere Gemütsveranlagung zumeist sehr leicht zu „Familiensimplern“ zu erziehen. Und – welch eigener Reiz liegt gerade in diesem „Familie simpeln“! Nur muß dieser Reiz nicht durch starres Festhalten an den persönlichen Schrullen erstickt werden! Vater und Mutter müßten erkennen lernen, daß sie sich geradezu an den Kindern versündigen, wenn sie die eigene Bequemlichkeit und die eigenen Absonderlichkeiten über das stellen, was man Familienleben nennt. –

Heiratsaussichten steigern? – Ja – dadurch, daß die Mütter auch die berufstätigen Töchter dazu anhalten, sich um die Wirtschaft zu kümmern, „Hausmannskost“ kochen zu lernen und das Wäscheausbessern mit zu besorgen. – Man denke nicht, daß ich mit dem vorigen Satz etwas sehr Überflüssiges erwähne. Es gibt sehr viele Fanlilien, in denen z. B. die Mutter die Töchter absichtlich nicht an den Kochherd heranläßt. Meist sind dies Mütter jener gefährlichen Art, die stets das

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W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)