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Schwestern. Der Papa ist Beamter – irgend ein „Rat“. Nennenswertes Vermögen nicht vorhanden. – Lottchen macht die Hochzeit einer Freundin mit, die „ohne Geld“ sogar einen Rechtsanwalt bekommen hat, weil sie – eben das gerade Gegenteil von Lottchen ist. Lottchens Tischherr ist ein sehr wohlhabender Assessor. Bereits bei der Tafel benimmt Lottchen sich so „modern“, daß der Tischherr ihr heimlich die Hände drückt und ihr manches ins Ohr flüstert, was an den Ton in Bars usw. erinnert. Beim Tanz nachher wird der flotte Assessor noch „freier“. Bei guter Gelegenheit küßt er Lottchen sogar. Sie schwimmt in Seligkeit: „Er muß sich jetzt ja mit mir verloben!“ – Für den nächsten Abend verabredet man sich vor einem Kino. Er ist pünktlich da. Auf dem Heimweg küßt er Lottchen abermals. – Eine Woche lang geht das so weiter. Lottchen wartet darauf, daß er nun endlich „Ernst machen“ wird. Als er noch immer kein Wort von Verloben spricht, macht sie schließlich zarte Andeutungen, daß er nun doch bei ihren Eltern „Visite schneiden“ könne. Da – ist alles aus. Er gebraucht allerlei Ausflüchte. Es gibt keine Stelldicheins mehr. Lottchen – ist empört, vertraut sich dem Bruder an, der irgendwo Prokurist ist, der aber Lottchens „Eigenart“ kennt. Er tut trotzdem ein übriges und schreibt an den spurlos Verdufteten. Der antwortet: „Ihre Schwester hat sich mir gegenüber von vornherein so benommen, wie ich dies von „Damen“ nicht gewöhnt bin. Ich konnte daher nicht annehmen, daß Ihre Schwester irgendwie in den Irrtum verfallen würde, ich käme für sie als ernsthafter Bewerber in Frage. Ein junges Mädchen, das sich so frei gibt, wie Ihre Schwester, darf sich nicht wundern, wenn man sie anders einschätzt als andere, die weniger offen ihre „modernen“ Ansichten hervorkehren. Wenn Sie wünschen, will ich Ihnen im einzelnen das Benehmen Ihrer Schwester mir gegenüber schildern. Dann werden Sie selbst einsehen, daß hier meinerseits nicht die geringste Verpflichtung vorliegt, dieser harmlosen Tändelei einen anderen Abschluß zu geben.“ – Der

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W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)