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Seite:Wilhelm Löhe - Drei Bücher von der Kirche.pdf/113

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 Diese Schriftmäßigkeit aber wurde nun in einer doppelten Weise herzustellen gesucht. Von der einen Seite wurde alles für einen übeln Rest des Papsttums erkannt, was nicht ein Wort der h. Schrift für sich hatte. Mit unerbittlicher Schärfe that man alles ab, was nicht eine ausdrückliche Begründung in einem Schriftworte fand. – Von der andern Seite aber ließ man bei allem Ernste der Reformation alles stehen, was die Schrift nicht wider sich hatte, was irgend ohne Gefahr der reinen Lehre stehen bleiben konnte. Z. B. die Liturgie, die Bilder und sonstigen Zieraten der Kirchen und heiligen Orte etc. wurden, je nachdem man der ersten oder zweiten Richtung folgte, ganz verschieden behandelt.

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 Die letztere Richtung erkannte, daß die Kirche seit der Apostel Tagen, das hieß 1500 Jahre, nicht umsonst gelebt habe. Man erkannte eine Entwickelung und Auslegung der apostolischen Lehre durch die Geschichte, man verstand, daß das Eine Wort in der Zeiten Fortgang eine immer reichere Fülle offenbarte. Man achtete die Geschichte der Kirche und hatte ein Auge für die Gemeinschaft mit dem Altertume. Nicht losgetrennt von vorigen Jahrhunderten wollte man etwas Neues und möglichst Selbständiges anbahnen, im Gegentheil war man bemüht, am Faden der h. Schrift die Fortsetzung der uralten apostolischen Kirche zu finden und die Neuigkeiten abzuthun. Wie man alte, werthvolle Bilder und Bauwerke vom Schnörkel und der Unzier späterer Zeiten befreit, so wollte man das Alte, nur ohne Fälschung. Nicht eben wie es zur Zeit der Apostel gewesen war, wollte man alles und jedes haben, sondern nur unsträflich vor dem Angesichte der Apostel und Propheten wollte man die geschichtliche Entwickelung der Kirche sehen. Man erkannte ein Walten des h. Geistes in der Geschichte; aber man erkannte nichts für ein Walten des h. Geistes in der Geschichte, was dem klaren Worte widersprach. Einheit der Schrift und Geschichte, Gemeinschaft mit der Schrift vor Allem und mit der reinen Kirche aller Jahrhunderte und Lande, ächte Katholicität zeichnete die letztere Richtung, die Richtung Dr. M. Luthers aus. Man vergleiche nur Luthers Benehmen gegenüber Carlstadt u. a. dgl., man lese nur die