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Manchfaltigkeit des Singens und Betens hat sich gebildet und ein lieblicher Gedankengang des Nahens und Fernens von dem HErrn HErrn hat sich beliebt gemacht. Wie die Sterne um die Sonne, so wandelt die Gemeine in Gottesdiensten voll Lieblichkeit und Würde um ihren HErrn. In heiliger, kindlicher Unschuld, die auch nur ein kindliches, unschuldiges Herz recht versteht, bewegt sich die Schaar erlöster, geheiligter Gotteskinder feiernd um den allgemeinen Vater und um das Lamm, und der Geist des HErrn HErrn führt ihren Reigen. Es ist nicht auszusagen, welch eine Seelenlust und welche Himmelswonne für diejenigen, die so etwas genießen können, in der Theilnahme an der Liturgie liegt; auch spricht sie, von frommen Herzen gefeiert, den minder Frommen mächtig an, und keine lieblichere Gestalt, keine lockendere Freundlichkeit beweist das reine Bekenntnis, als wenn es anbetend und lobsingend vernommen wird.

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 Das hat man zur Zeit der Reformation wohl erkannt. Man hat deshalb die überlieferten, uralten, schönen Formen mit nichten abgethan, sondern nur von Sünde und Unzier gereinigt. Es gibt eine große Schaar von lutherischen Liturgien, welche Manchfaltigkeit und Einfalt vereinen. Dazu werde der herrlichen Menge schöner, unnachahmlicher Lieder gedacht, welche seit 300 Jahren Gott zu Ehr und Preis gesungen wurden. Unsre Kirche hat einen großen liturgischen Reichtum in ihren Vorrathskammern und es fehlt nur, daß sie ihn recht gebrauche. – Aber freilich, das wars, woran es ihr in den Tagen ihrer tiefen Schmach, die nun eben untergehen, gebrach. Ihre Kinder verloren mit dem Glauben Gebet und Lied, Schmuck und Zier der Gottesdienste, und nun ist es der Mutter nicht leichte Arbeit, die alten Kinder zu dem alten Glauben, die jungen Kinder zum Bekenntnis der Vorväter, alle zusammen zu jener Unschuld und dem kindlichen Wesen zurückzubringen, das sich singend und betend vor Gott freuen kann. Es muß auch hier erst wieder eine Gewöhnung eintreten und was unnatürlich geworden ist, muß natürlich werden durch Gebrauch. Darum scheue man sich doch nicht, den Anfang zu machen! Wer seine Lust schauen