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Welt ist wie die Gleichnisse im Evangelium: die Jünger erkennen aus ihnen die Geheimnisse des Himmelreichs, die andern haben Augen und sehen nicht und können nichts verstehen. Alles redet von Dir, o HErr, – alles ist Wiederschein eines geistlichen und ewigen Reiches. Ja, obgleich unsere Sünde auch die Kreatur durchdringt, ihren Glanz und Schein umnebelt und verhüllt; so weiset uns doch Dein eigener Mund auf die Lilien und den Weinstock, auf die Bäume und ihre Blüthen, auf die Vögel und viele andere Dinge, und die Kraft des Zeugnisses ist der Kreatur durch unsere Sünden mit nichten ganz und gar genommen. Unzählige Dinge schweben mir vor den Augen vorüber, – alles singt vor meinen Ohren Gottes Lob und Preiß; auch reise ich selbst durch alles hin und schaue und höre. Es spricht mich auch alles an, und alles faßt mich, aber mit einer heimlichen Macht. Ich sehe, aber wie in Zwielicht und lichtem Nebel, – ich höre, ich vernehme Harmonie, aber ich unterscheide die Töne nicht. So fühle ich mich berufen zum Verständnis, wie der Kämmerer, da er den Propheten Jesaias las, aber ich verstehe doch nicht. Ich ahne und verehre Deine

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Wilhelm Löhe: Raphael. U. E. Sebald’sche Verlagsbuchhandlung, Nürnberg 1862, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Raphael.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.10.2017)