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I.

 Verehrter Herr!

 Herr Fabricius wird Ihnen in einem zugleich mit diesem abgehenden Briefe die Ankunft des Proselyten Sulzberger aus Fürth gemeldet haben. Derselbe war seit seiner Ankunft dahier in meiner Seelsorge, weshalb ich es für meine Pflicht erachte, treu und gewissenhaft zu schreiben, was etwa zu seiner gründlicheren Behandlung in Stuttgart dienen kann.

 Sulzberger hat, so scheint mir’s, anfangs Rührungen des göttlichen Geistes und eine Art von Sehnsucht nach dem Lichte gehabt, welches alle Menschen erleuchten soll. Dabei mag ihm, aus Anlaß einiger talmudischer Kenntnisse, welche er besitzt, zu früh Hoffnung gemacht worden sein, daß er, wenn er seinem Wunsche gemäß übergetreten wäre, Judenmissionar werden könnte. Die Sehnsucht, Judenmissionar zu werden, verdrängte hierauf seinen Hunger und Durst nach dem Herrn und nahm seine ganze Seele ein. Diese Sehnsucht und die Nähe des Sacraments konnten in ihm ein augenblickliches Feuer erwecken, bei welchem gerade das, was zuerst hätte erkannt werden sollen (die beigemischte, große Unlauterkeit), am schwersten zu erkennen war. In diesem Feuer widerstand er auch den Zumuthungen der Münchener Juden. Seiner Standhaftigkeit und seiner Verfolgungen sich bewußt, kam er hieher, und sein Mund gieng davon über statt von der Gnade des Herrn, die ihm reines Wasser des Hl. Sacraments gegönnt hatte. Da seine ersten Reden gegen mich solche waren, konnte ich vornherein keine besondere Meinung von ihm haben.

 Circa 14 Tage ließ ich ihn gewähren; er ließ sich gehen: so konnte ich erkennen, was in ihm war. So viele Tage konnte der Neugetaufte bei einem Diener des Evangeliums sein, ohne daß er Liebe zum Evangelium an den Tag gab, ohne daß sein