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philosophischen Gegenständen ein gewisser Mangel an Gabe zu Grunde, wie er denn auch einmal an einer Stelle seines Berliner Tagebuchs bemerkt: „Ich glaube immer noch, daß Philosophie und menschliche falsch berühmte Weisheit und Kunst mir gar gefährlich wären, wenn ich mich durch größere Verstandeskraft angetrieben zu ihrer besetzten Tafel nahte.“ Wie gesagt, nicht Wissensdurst war der Beweggrund, der ihn Erlangen mit Berlin vertauschen ließ.

 „Herr, um Dich und Dein Heil zu finden, bin ich aus meines Vaters Hause, aus meiner Freundschaft und aus meinem Vaterlande gegangen“,[1] lesen wir in seinem Tagebuch. Fern von der Heimat, in einer Art freiwilliger Verbannung von derselben, glaubte er mitten im Getümmel der großen Hauptstadt die Einsamkeit der Seele und in der Einsamkeit sich selbst und seinen Herrn desto leichter finden zu können. So wurde denn in Begleitung eines Freundes H. am 7. April 1828 die Reise nach Berlin angetreten. Eine solche Reise war damals ein mühseligeres Unternehmen als heutzutage, wo das Dampfroß uns im Fluge in die Fernen trägt. Der Weg führte die beiden Wanderer über Bayreuth und Hof in die fürstl. Reußischen Lande. In Ebersdorf wurden die Brüderwohnungen, der Betsaal und der Gottesacker der dortigen Brüdergemeinde besichtigt. Ueber Gera giengs nach Leipzig, wo unter anderen Merkwürdigkeiten auch der Johanniskirchhof und Gellert’s Grab aufgesucht wurde. Ueber Bitterfeld, Treuenbriezen und Potsdam langten die Reisenden endlich am 18. April in Berlin an.

 Mit großem Eifer warf Löhe sich dort sogleich auf das Studium, der Tag vergieng dem arbeitsamen Jüngling über


  1. Er nannte sich einen Pilgrim nicht nach Berlin, sondern nach Patmos, einer göttlichen Offenbarung für das elende Herz zu warten.