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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Chronik in den Stellen, welche sich auf den Dombau beziehen, meist nur Nebensächliches: von Meßstiftungen, Reliquien, von Uebertragung der fürstlichen Leichen und der Einmauerung eines bischöflichen Hauptes wird mit großer Ausführlichkeit berichtet, während man vergebens nach Aufklärungen über das Gebäude selbst, die dort befindlichen Kunstwerke und die daselbst beschäftigten Künstler sucht. So beschreibt Benesch bei Erwähnung des großen über dem Domportale angebrachten Mosaikbildes eigentlich nur dessen schöne Farben mit dem Beifügen, daß die Farben um so glänzender erscheinen, wenn sie vom Regen abgewaschen werden. Seine Worte lauten: „Eodem tempore (1371) perfecta est pictura solempnis, quam dominus Imperator fieri fecit in porticu ecclesiac Pragensis, de opere mosaico more Graecorum, quae quanto plus per pluviam abluitur, tanto mundior et clarior efficitur.“ In ähnlicher Weise pflegen Landleute zu erzählen, wenn sie von einer Wallfahrt heimkehren. Was das Bild darstelle, von welchem Künstler es gefertigt wurde, ist dem Chronisten ganz gleichgiltig; auch fand er es offenbar unschicklich, einen zweiten Urheber neben dem Kaiser zu nennen. Im Vergleich mit dem Traktate des englischen Mönches Gervasius über den Bau der Kathedrale von Canterbury und in Anbetracht daß der in Paris aufgewachsene Weitmühl die Baudenkmale Frankreichs, Deutschlands und Italiens durch eigene Anschauung kennen gelernt hat, erscheinen seine über den Dombau und besonders die Baumeister gemachten Mittheilungen überaus dürftig und unklar, was um so mehr auffällt, als er unter den Augen des Kaisers arbeitete und dessen Aufzeichnungen benützen konnte. Indessen wäre möglich, daß gerade die kunstgeschichtlich bedeutenden Partien der Weitmühl’schen Chronik verloren gegangen sind. Dieses ist um so wahrscheinlicher, als einige Schriftsteller des sechzehnten und siebenzehnten Jahrhunderts, wie Lupacius, Weleslawina, Hajek von Liboczan, Balbin und Andere über die unter Kaiser Karl ausgeführten Denkmale und die damaligen Künstler umfassendere Nachrichten bringen als Weitmühl, aus dessen Schriften sie doch größtentheils geschöpft haben.

Eine sehr ausführliche wenn auch nicht immer ganz zuverläßige Lebensgeschichte des Kaisers Karl IV. hat Franz Martin Pelzel im Jahr 1780 veröffentlicht, welche so ziemlich alle diesen Regenten betreffende Nachrichten und außerdem 349 abgedruckte Urkunden enthält. In kunstgeschichtlicher Hinsicht bietet dieses mit unbeschreiblicher Mühe zusammengestellte Werk eine kaum nennenswerthe Ausbeute.

In neuerer Zeit war es Ferdinand Mikowec, welcher sich um böhmische Kunstforschung und die Geschichte des Prager Domes größere Verdienste erworben hat, als seine eigenen Landsleute eingestehen wollen. Wenn auch sein Sammelwerk „Alterthümer und Denkwürdigkeiten von Böhmen“ den Anforderungen der Zeit nicht entspricht und einer streng wissenschaftlichen Grundlage entbehrt, sind doch die darin enthaltenen Detailforschungen mit Sachkenntnis und rühmenswerther Unparteilichkeit geführt. Mikowec war der erste, welcher sich mit der Geschichte des Peter von Gmünd beschäftigte, der sogar eine Biographie des Meisters ausarbeiten wollte. Ich gestehe mit Vergnügen, daß Mikowec mich zu der vorliegenden Arbeit anregte und daß ich ihm manchen richtigen Fingerzeig verdanke. Ein bösartiges Fieber entriß den noch in jugendlichem Alter stehenden Forscher im Jahr 1861 seinen Arbeiten, ehe er Zeit gefunden, sein überreiches in allen Theilen des Landes gesammeltes Materiale zu sichten und in einem zusammenhängenden Werke niederzulegen.

Eine gute Beschreibung des Prager Domes rührt von Dr. Ambros her, ein bequemes Handbuch, welches ganz dem gestellten Zwecke entspricht. Selbsteigene Forschungen enthält das Werkchen nicht, wie sie auch in einem Handbuche überflüssig und sogar störend erscheinen. Die eingeschalteten Notizen über die Dombaumeister sind größtentheils den verschiedenen Artikeln des Mikowec entnommen.

Etwas später folgte eine im Dombaukalender 1862 enthaltene Abhandlung über den Prager Dom, von Wenzel Wladiwoj Tomek. Diese im tschechischen Interesse verfaßte Schrift beschäftigt sich zunächst mit den Stiftungen längst verschwundener Altäre, deren nicht weniger als 64 aufgezählt werden. Die den Bau betreffenden Partien wiederholen größtentheils die von Mikowec und Ambros veröffentlichten Einzelheiten.

Durch den Deutschen Architekten- und Ingenieurverein für Böhmen wurde im Jahr 1870 unter dem Titel „Die Kathedrale des heiligen Veit zu Prag“ eine von mir verfaßte Schilderung der Kunstthätigkeit des Kaisers Karl IV. herausgegeben, in welcher auch das Wirken des Peter von Gmünd, soweit die damals vorhandenen Materialien reichten, besprochen worden ist. Diese Schrift stützt sich in Bezug auf den Prager Dombau und die aus Gmünd stammende Steinmetzfamilie zunächst auf die in Böhmen vorhandenen Denkmale.

In Schwaben war man mittlerweile nicht minder bemüht gewesen, Forschungen anzustellen und die Geschichte der in Rede stehenden Künstler zu enthüllen. Voran ging das

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/211&oldid=- (Version vom 1.8.2018)