Seite:Zapolska Käthe.djvu/046

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Inzwischen blickte Käthe immer ängstlicher nach der halbgeöffneten Pforte mit dem Wunsche, schleunigst sich aus dem Staube zu machen, und in dem Gefühle, als habe sie irgend etwas begangen, was sie in den Abgrund stürze.

Mit Gewalt also raffte sie sich auf und eilte wie in heller Verzweiflung auf die Pforte zu.

Der kleine Bildhauer aber folgte ihr auf dem Fuße nach und rief ihr zu: „Du, wenn du dich besonnen, aber nichts zu essen hast, so komm nur zu mir! Weißt du, wo das Polytechnikum ist? Nein? Das große, weiße Haus mit der Freitreppe in der Krummenstraße. Weißt du es nun?“

Dicht an der Pforte umschlang er sie halb und zog sie fast in seine Arme. Wie ein Kind sah der Halbwüchsige aus gegenüber dem so kräftig gebauten Mädchen. Dies fühlte er auch und sah sie mit seltsamem Staunen an.

„Herr, lassen S’ mich los! Ich hab Eile!“ rief sie ihm zu.

Er aber lächelte nur und drängte sich ihr immer näher. Mit den beschleunigten Atemzügen drang scharfer Alkoholdunst aus seinen immer feuchten Lippen.

Mit kräftiger Hand suchte Käthe den Zudringlichen von sich abzuwehren. Er jedoch hielt ihren Arm wie mit einer Zange fest. Wie Stahlringe umschnürten ihn seine dünnen Finger.

„Aber, Herr, Sie tun mir weh!“ rief Käthe und sah ihm mit Tränen in den Augen in das gerötete Gesicht.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/046&oldid=- (Version vom 1.8.2018)