Seite:Zapolska Käthe.djvu/388

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Einen Gassenhauer trällernd, näherte er sich, ohne den Hut abzunehmen, dem Künstler, reichte ihm mit Gönnermiene die magere Hand und fragte in kurzen, abgerissenen Sätzen: „Na, wie steht’s? Denkmal für Historiker schon fertig? Möcht’ es gern sehen. Wo ist es?“

Sein ganzes Auftreten verriet die Sucht, möglichst aufzufallen oder Eindruck zu machen.

Wodniecki aber schrie, ohne seine Arbeit zu unterbrechen, nur Käthe zu, sie solle ruhig stehen bleiben, da sie beim Anblick des Fremden irgend eine Hülle über sich werfen wollte.

Dann zeigte er nach dem äußersten Winkel und erwiderte dem vor ihm stehenden Herrn: „Dort ist das Medaillon.“

Der Schriftsteller oder Zeitungsschreiber aber bemerkte jetzt Käthe und sah sie verwundert an.

Unwillkürlich schloß sie die Augen, um die Blicke dieses Mannes nicht zu sehen, die über ihren nackten Körper glitten und ihr geradezu körperlichen Schmerz bereiteten. Sah jener sie doch bei hellem Tageslichte, kaum verhüllt in ein Stück Perkal!

„Woher nahmen Sie dies?“ fragte endlich der Kritiker und verzog verächtlich den Mund.

„Ist das nicht ein prächtiges Modell? Sehen Sie nur diese Büste, diese Arme!“

„Allerdings… Wo bleibt aber das Schöne, das Ideal?“

„O, sie ist ja nur eine Magd, aber doch wie geschaffen zu einer Karyatide.“

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/388&oldid=- (Version vom 1.8.2018)