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die mit einem sehr schmalen, scharf umrissenen, gezackten Kamme gekrönt sind, rechts ein etwas abgerundeter Gipfel von rothem Granit. Diesen erklomm unser Berichterstatter ohne viele Mühe und konnte auf dem welligen, zackigen Kamme desselben in der Richtung nach Osten einherspazieren. Ueberall lag lockerer Schnee, wo nicht steile Abhänge das Aufliegen desselben verwehrten. Unter dem frischgefallenen Schnee und namentlich auf dem Nordabhange des Kammes waren vereiste, vieljährige Schichten ewigen Schnees erkennbar, doch bildeten diese nur Felder von kleinerem Umfange. Die Aussicht gab an Erhabenheit der vom Faulhorn in den Berner Alpen nichts nach. Ringsum, namentlich im Süden, Südosten, Osten und Nordosten starrten zerrissene, zackige Gipfel empor, deren dunkle, kahle Steilhänge einen scharfen Contrast zu dem blendenden Weiß ihrer auf ebneren Stellen liegenden Schneedecke bildeten, ein Contrast, der den einheimischen Namen des „bunten“ Gebirges hier vollständig rechtfertigte. Vom Issyk-Kul war nichts zu sehen, wohl aber tauchten zwischen den Gipfeln des Alatau aus bläulichem Nebel die Schneehäupter des Himmelsgebirges im Süden auf. Nach Norden zu drang der Blick durch das enge, wilde Thal des Keskelen weit in die ebene, endlose Steppe des Ili.

Die Abfahrt war wiederum schwieriger als die Auffahrt. Schnee und Steine lagen chaotisch durcheinander, die vereiste Rinde des ewigen Schnees machte das häufige Fallen von Menschen und Thieren gefährlich; dazu ging es sehr steil abwärts. Am Ende dieses steilen Abstiegs entdeckte Ssemenof zwei Adern von Diorit im Granit. Die zweite derselben fiel durch ihre grobkörnige Zusammensetzung und darin sich abhebenden Krystalle von grünlicher Hornblende auf. Hier traf man auf einen der Quellbäche des Keskelen, der schon vollständig zugefroren war. Sein Thal war mit mäßigem Fall nach NO gerichtet und lag an der Grenze der obern alpinen und der Zone der Alpensträucher, d. h. in einer Höhe von 9500–9000 Fuß, an den Abhängen trat schon Juniperus pseudosabina auf. Nach 20 Minuten Weges in diesem Thale war wieder ein steiler Absatz zu überwinden. Bei 8000 Fuß absoluter Höhe zeigten sich wohlgewachsene Fichten, zwischen denen die beiden Quellbäche des Keskelen rauschend zusammenflossen. Das enge Thal des westlicheren war im Hintergrunde von Schneegipfeln geschlossen. Das Hauptthal des Keskelen, in welchem es nun weiter ging, war mit schöner grüner Vegetation geschmückt und wurde außerordentlich malerisch und romantisch. Nach 2½stündigem Marsche von der Höhe des Passes her wurde endlich in einem Fichtenwäldchen, etwa 6000 Fuß hoch, das letzte Bivouac aufgeschlagen.

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Verschiedene: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Vierter Band. Dietrich Reimer, Berlin 1869, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_IV.djvu/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)