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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

die noch nicht im Wirtschaftsprozeß tätig sind, außer Betracht[1]. Der Begriff Freizeitgestaltung auf Grund der angegebenen Begrenzungen soll sich also nur auf die Zeit beziehen, welche nach Vollendung der normalen Arbeitszeit übrig bleibt unter Abzug der Stunden, die für die Reproduzierung der Arbeitskraft notwendig sind. Unter diesem Gesichtspunkt soll unter Freizeitgestaltung nicht nur die planmäßige Verwendung, sondern die Anwendung der Freizeit als einheitliches Problem, das alle Verwendungsarten umfaßt, verstanden werden.

II.

Die Frage der Freizeitgestaltung wurde erst dann zum Problem, als ihre Dauer überhaupt eine Art der Verwendung ermöglichte, die mehr bedeutete als die einfache Reproduktion der Arbeitskraft. Die Tatsache, daß vor dem Krieg ein Arbeitstag von 9—10 Stunden und länger als normal betrachtet wurde, gibt schon eine Erklärung, weshalb damals von einem Problem der Freizeitverwendung nicht die Rede sein konnte. Unter den damaligen Umstanden waren nicht einmal die Institutionen der Arbeiterklasse auf die Behandlung dieser Frage eingestellt. Sie waren hauptsächlich Kampforganisationen zur Gewinnung politischen und gewerkschaftlichen Einflusses. Hierzu war vor allem die Anzahl ihrer Mitglieder von größter Bedeutung; die Qualität stand dabei zurück. In vielen Ländern handelte es sich für diese Organisationen besonders darum, den Kampf gegen das vorhandene Gefühl der Minderwertigkeit zu führen[2], ein Kampf, der erst allmählich seine Erfolge mit der Hebung der ökonomischen und sozialen Lage zeigte.

Die Bestrebungen, die Arbeiter in die Kulturgemeinschaft einzubeziehen, ihr Selbstbewußtsein zu heben, forderten an erster Stelle die Ausbildung einer Führerschaft. Die Ämter innerhalb der Institutionen der Arbeiterbewegung wurden anfänglich aus rein finanzieller Notwendigkeit größtenteils ehrenamtlich ausgeübt. Nur eine kleine Schar von Leuten, die hervorragendsten aus der Arbeiterklasse, gestalteten damals ihre Freizeit auf eine positive Art und Weise. Als die Arbeiterbewegung größeren Einfluß gewann, waren ihre Forderungen

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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/253&oldid=- (Version vom 14.1.2023)
  1. Das für die gesamte Gesellschaft so wichtige Problem der Freizeitverwendung und Beschäftigung der Arbeitslosen wird deshalb in dieser Arbeit nicht berücksichtigt.
  2. „Mit der Ausbildung des Fabriksystems sank die Arbeiterschicht nach Auffassung der Unternehmer zu einem relativ unerheblichen Appendix der Maschinen herab." (Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Art. Arbeitszeit. S. 893. 4. Aufl. Jena 1923.)