Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/380

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

späteren Arbeiten fünf kunstbegabte Söhne. In Italien war nach dem Verfall des Römerreichs die schöpferische Kunstthätigkeit vom Pfade der klassischen Antike abgeirrt, doch diente sie dem neu erwachten und sich verjüngenden Kunststreben jenes Landes zur Zeit des Mittelalters wieder zu edlen Vorbildern und es entwickelte sich der schöne und reizvolle Kunststyl, der mit dem passenden Worte Wiedergeburt (Renaissance) bezeichnet wurde. Dieser Styl erscheint in harmonischer Weise auf das anmuthigste mit den Formen der späteren Gothik verbunden am Hauptwerk Peter Vischer’s, dem St. Sebaldusgrabe zu Nürnberg, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der Künstler vor dessen Beginn die Werke italienischer Kunst mit eigenen Augen schaute, denn Nürnberg konnte ihm kein bezügliches Vorbild bieten; man glaubt, daß diese Reise Vischer’s nach Italien in die Jahre 1503 bis 1505 gefallen sei, hat aber auch dafür keinen sicheren Nachweis.

Peter Vischer hatte sein Haus und seine Gießhütte am St. Catharinengraben zu Nürnberg, da wohnte und arbeitete er in Gemeinschaft mit seinen Söhnen, deren Familien ebenfalls bei ihm wohnten. Von den Söhnen ist wenig bekannt worden, außer daß der ältere, welcher nach dem Großvater Herrmann hieß, nicht nur als Rothgießer, sondern auch als Bildhauer und Modellirer sehr geschickt war. Es scheint, daß unter allen seinen Brüdern Hermann allein den Vater überlebte. Der letztere starb nach einem langen thätigen Leben und fand seine Ruhestätte auf dem St. Rochus-Kirchhof. Das Hauptwerk Peter Vischer’s und seiner Söhne, an welchem er auch sein Bildniß, wie er in der Gießhütte aussah, anbrachte, ist das kostbare Grabmal St. Sebald’s in der diesem Heiligen geweihten und nach ihm benannten Kirche zu Nürnberg. Den Sarg, in welchem die heiligen Gebeine ruhen und der mit verziertem Gold- und Silberblech ausgeschmückt ist, umgab Vischer mit dem edelsten und stolzesten Schmuck seiner Kunst. Starke Pfeiler tragen das gothische spitzbogige Dach, an ihnen stehen in halber Lebensgröße die berühmten Apostelstatuen; zwischen den Pfeilern streben zarte Kandelaber schlank und schön bis zur reichverzierten Decke empor. Die Sockel wie die eherne Tumpe, die den Sarg trägt, sind in einer Weise verziert, die ganz im Renaissancestyl gehalten und fast überladen zu nennen ist. Das Ganze ruht auf den Häusern kriechender Schnecken. Außer diesem Prachtdenkmal, das seines Gleichen in Deutschland nicht hat, umfaßt Nürnberg noch zahlreiche Werke Peter Vischer’s, theils Statuen, theils Reliefs. Eines der werthvollsten derselben, ein herrlich gelungenes Gitter von Bronce im großen Rathhaussaale, ließ man mit demselben Sinne einschmelzen, mit dem man Archive an die Papiermühlen nach dem Centner verkauft. Nahe dem Altar der Aegidienkirche trägt das Basrelief einer Kreuzabnahme Peter Vischer’s Zeichen; die nackte Statuette einen Apollo ist in der Kunstschule aufgestellt; die Lorenzer Kirche hat von ihm eine Gedenktafel; auch in mehreren der überaus reichen Privatsammlungen Nürnbergs sind Werke aus der Vischer’schen Gießhütte befindlich. Außerhalb der Vaterstadt des Künstlers beurkunden Werke von höchster Bedeutung des Meisters großen Ruf im Ausland und seine volle Beschäftigung durch dasselbe. In der Stiftskirche zu Römhild ist die einfach schöne Statue eines junges Ritters, Otto’s IV., Grafen von Henneberg, von vollendeter Schönheit aufgestellt, vielleicht noch vom Vater des Künstlers, wenigstens noch bei dessen Leben aus der Gießhütte hervorgegangen. Ein zweites Werk daselbst ist der reiche und edle Kenotoph Graf Hermann VIII. von Henneberg und seiner Gemahlin Elisabeth, geb. Markgräfin von Brandenburg, mit Wappen, Statuen von Heiligen und anderem Bildwerk geschmückt, das zum Theil am Monumente des Erzbischofs Ernst von Magdeburg im dortigen Dome sich ebenfalls findet. Auch dieses Magdeburger Denkmal zählt zu den schönsten, welche die Kunstgeschichte kennt. Der Bamberger Dom enthält von P. Vischer die Grabmäler der Bischöfe Heinrich III., Veit I. und Georg II., der Dom zu Berlin umfaßt das Grabmal des Kurfürsten von Brandenburg Johann Cicero; auch die Berliner Kunstkammer hat einige schöne Bildwerke Vischer’s. Im Dome zu Breslau ist das Monument des Bischofs Johannes von ihm, ebenso rühren im Dome zu Wittenberg die Denkmale der Kurfürsten zu Sachsen, Friedrich’s des Weisen und Johann’s des Beständigen, von ihm und dem Sohne Hermann her. Außerdem haben noch Regensburg, Aschaffenburg, Prag und andere Städte Werke aus der berühmten Nürnberger Gießhütte erhalten; auch nach Mecklenburg, ja nach Dänemark wurden Arbeiten geliefert. Die Schreibweise Vischer und Fischer erklärt sich einfach aus der Uebergangsperiode zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit, in welche das Leben dieses hochbedeutenden deutschen Künstlers fiel.