Steuerreformen

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Autor: Karl Theodor von Eheberg
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Titel: Steuerreformen
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aus: Handbuch der Politik Zweiter Band: Die Aufgaben der Politik, Achtes Hauptstück: Die öffentlichen Lasten und Schulden, A. Lasten, 40. Abschnitt, S. 118−142
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[118]
40. Abschnitt.


Steuerreformen.
Von
Vom Geheimen Rat Dr. Karl Th. Ritter von Eheberg,
o. Professor der Staatswissenschaften an der Universität Erlangen.


Literatur:[1][Bearbeiten]

A. Wagner, Finanzwissenschaft, bes. Teil III 2. Aufl. 1. Buch Leipz. 1910. –
O. Schwarz, Die Finanzsysteme der Grossmächte I u. II, Leipz. 1909. –
Derselbe, Steuersysteme des Auslandes, ebenda 1908. –
Derselbe, Artikel Finanzen (der Gegenwart) im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Aufl. Bd. IV. –
K. Th. v. Eheberg, Artikel Finanzen (im 19. Jahrhundert bis 1870), ebenda. –
M. v. Heckel, Die Fortschritte der direkten Besteuerung in den deutschen Staaten 1880–1905. Leipz. 1904. –
Die Reichsfinanzreform I u. II. Berlin 1909 (in Bd. II S. 487 ff. ein sehr eingehender Literaturnachweis). –
G. v. Schmoller, Skizze einer Finanzgeschichte von Frankreich, Österreich, England und Preussen, in Schmollers Jahrbuch 33. Jahrg. Heft 1 –
Gerloff, Verbrauch und Verbrauchsbelastung kleiner und mittlerer Einkommen in Deutschland um die Wende des 19 Jahrhunderts, in Conrads Jahrbüchern 1908. –
Derselbe, Die Finanz- und Zollpolitik des deutschen Reiches, Jena 1913. –
Wittschewsky, Die steuerliche Belastung im deutschen Volke, in den Annalen des deutschen Reichs, 1911. –
Kaulla, Ideale und Vorurteile der deutschen Finanzpolitik, Stuttgart 1911 –
Weissenborn, Die Besteuerung nach dem Überfluss. Leipzig 1911. –
E. Begemann, Die Finanzreformversuche im Deutschen Reiche von 1867 bis zur Gegenwart, Göttingen 1912.

I.[Bearbeiten]

Viele Umstände trafen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zusammen, um in den west- und mitteleuropäischen Staaten gründliche Steuerreformen notwendig erscheinen zu lassen. Die grossen Staatsumwälzungen, die sicli überstürzenden politischen Ereignisse, die Neubildungen [119] im Wirtschaftsleben, die neuen Lehren der ökonomischen Wissenschaft waren die Hauptursachen. Aber der Verlauf wie die Ergebnisse dieser Umgestaltungen waren in den einzelnen Staaten sehr verschieden. Es ist notwendig, darauf mit einigen Worten einzugehen; denn das Verständnis der Vorgänge auf dem Gebiete des Steuerwesens im 19. Jahrhundert und in der Gegenwart ist bedingt von der Kenntnis der Umbildungen, welche um die Wende des 18. Jahrhunderts sich vollzogen haben. Wir müssen uns jedoch, der gegebenen Aufgabe entsprechend, auf eine kurze Darstellung der wichtigsten Vorgänge in den massgebenden westeuropäischen Staaten beschränken.

In Frankreich versuchte die Revolution wie den alten Staat, so auch dessen Steuerwesen aus den Angeln zu heben, in letzterer Beziehung an die Stelle der Vielheit drückender direkter und indirekter Steuern einige wenige Steuern zu setzen, die alten Privilegien gründlich zu beseitigen und Veranlagung und Erhebung im Sinn formaler Gleichheit umzugestalten. Aber das, zum Teil durch den Doktrinarismus der Physiokratie gestützte Bestreben, den Staatsbedarf durch zwei grosse direkte Steuern, die Grund- einschliesslich der Gebäudesteuer und die Personal-Mobiliarsteuer, zu decken, neben denen noch die Zölle und einige Register- und Stempelabgaben erhoben wurden, erwies sich bald als ganz undurchführbar. Die Demokratie wirtschaftete nicht billiger als der Absolutismus. Die Vereinfachung im Steuerwesen war erkauft worden mit einer rücksichtslosen Ausnützung der Papiergeldpresse. Die dadurch mit herbeigeführte zunehmende Zerrüttung der Finanzen zwang die Übereilung des Jahres 1791 wieder gut zu machen und bis 1798 erfolgte lediglich aus finanziellen Gründen die Einführung der Patentsteuer und der Tür- und Fenstersteuer. Im Jahre 1798 wurde das Enregistrement mit Einschluss der Erbschafts- und Schenkungssteuer in stark fiskalischem Sinn, aber in technisch anerkennenswerter Weise legislativ ausgebaut. Ja die Finanznot nötigte dazu, auch die innere Verbrauchsbesteuerung, deren Druck nicht wenig zum Ausbruch der Revolution beigetragen hatte, zunächst schüchtern, später aber sehr energisch auszunützen und die Einfuhrzölle zu erhöhen. Die eiserne Hand Napoleons, unter der das Parlament sich widerstandslos beugte, bescherte den Franzosen die Getränkesteuern, die Salzsteuer, das Tabakmonopol. Als Napoleon vom Schauplatze abtrat, war das französische Steuerwesen, was die Verteilung der Steuerlast betraf, nicht allzuweit von dem Zustande entfernt, den es in der letzten Zeit des Ancien Régime erreicht hatte. Natürlich waren im einzelnen viele Verbesserungen vorgenommen worden, namentlich auf dem Gebiete der direkten Steuern: viele Privilegien waren gefallen, die Besteuerung war allgemeiner geworden, die Veranlagung und Erhebung mit grossem Geschick ausgestaltet, die Scheidung nach Ertragsquellen scharf durchgeführt und das Prinzip formaler Gerechtigkeit zur Anerkennung gebracht worden; auch die indirekten Steuern lasteten nicht mehr ganz so stark und so ungleichmässig wie früher auf dem Volke. Vom Standpunkte der heutigen Auffassung haften allerdings dem französischen Steuerwesen jener Zeit schwere Gebrechen an, über die seine grosse finanzielle Leistungsfähigkeit nicht hinwegzutäuschen vermag. Der Hauptberater bei seiner Ausbildung war doch das augenblickliche fiskalische Bedürfnis gewesen.

Eine die Grundlagen ergreifende Umgestaltung des französischen Steuerwesens fand auch in der Folgezeit nicht statt. Dass aber die hundert Jahre vom Abschluss des französischen Steuersystems bis zur Gegenwart im einzelnen zahlreiche Änderungen gebracht haben, ist bei der Fülle der politischen und wirtschaftlichen Ereignisse, die diese Zeit umfasst, selbstverständlich. Die Zeit der Bourbons und Orleans war allerdings ganz arm an Neuerungen im Steuerwesen. Die Ermässigung der Grundsteuer, die feinere Ausgestaltung der Patentsteuer, die Einführung der Rübenzucker- und einer Eisenbahnsteuer sind das ganze Ergebnis. Die Erhöhung der Zollsätze brachte zwar gesteigerte Einnahmen, war aber mehr im handelspolitischen als im finanziellen Interesse erfolgt. Die Revolution von 1848 und die zweite Republik waren von zu kurzer Dauer, um die jeder demokratischen Bewegung eigentümliche Abneigung gegen indirekte Steuern verwirklichen zu können. Ihr praktisch wichtigstes Ergebnis auf finanziellem Gebiete war die Ermässigung der Salzsteuer. Napoleon III. vermied es schon aus politischen Gründen an den Grundlagen der direkten Steuern zu rütteln, wenn auch in Einzelheiten manches geändert wurde. Bei der Stabilität der direkten Steuern und unter dem Einfluss des zunehmenden Wohlstandes wuchs der Anteil der Verbrauchs- und Verkehrsbesteuerung an der Deckung des Staatsbedarfs. Zudem wurde der Staatskredit in steigendem Masse in Anspruch genommen. Die dritte Republik war zunächst [120] durch die Notwendigkeit, die aus dem Kriege von 1870–71 erwachsene ungeheure Steigerung des Staatsbedarfs rasch und unter ungünstigen Verhältnissen zu bewirken, so in Anspruch genommen, dass andere als fiskalische Erwägungen nicht zum Durchbruche gelangten. Es kam dazu, dass auch in der Republik zunächst diejenigen Kreise die Herrschaft behielten, welche an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes im Steuerwesen interessiert waren. So geschah es, dass die vier alten direkten Hauptsteuern, abgesehen von einer etwas schärferen Anspannung der Patentsteuer, zur Deckung des gesteigerten Staatsbedarfes wenig beitrugen und der Mehrbedarf teils durch Erhöhung der Verkehrs-, Transport- und Getränkesteuern, des Tabakmonopols, der den direkten Steuern assimilierten Taxen sowie der Zölle, teils durch dauernde oder vorübergehende Einführung neuer Steuern gedeckt wurde. Nur die Steuer auf das Einkommen aus beweglichen Werten, die 1872 eingeführt wurde, kann als Besteuerung gewisser (nicht aller) Arten von Kapitalerträgen als wertvolle Ergänzung de Ertragssteuersystems betrachtet werden. Es darf freilich nicht übersehen werden, dass die französischen Ertragsteuern ihrer ganzen Veranlagung nach für Erhöhungen wenig geeignet waren. Die reichlich vorhandenen Ungleichmässigkeiten der Belastung, wie sie aus der grundsätzlich beibehaltenen Veranlagung nach äusseren Merkmalen sich ergaben, mussten bei einer Steigerung der Sätze ins Unerträgliche wachsen, zumal auch die dem französischen Steuerwesen eigentümlichen Zuschläge zur Deckung der Bedürfnisse der Departements und Kommunen, die in starker Steigerung begriffen waren, einen empfindlichen und sehr ungleichmassigen Druck erzeugt hatten und sich wie ein lähmender Ballast an das Staatssteuerwesen hingen. Seit den 1890er Jahren sind allerdings wiederholt Anläufe zu gründlicherer Umgestaltung einzelner Steuern gemacht worden. So wurden, um nur das Wichtigste zu erwähnen, die Tür- und Fenster- und die Personal-Mobiliarsteuer reformiert, die Grundsteuer für die untersten Stufen beseitigt oder ermässigt, die Getränkebesteuerung vereinfacht, die sogenannten hygienischen Getränke entlastet, dafür die Branntweinsteuer bedeutend erhöht, an den Patentsteuern in Einzelheiten manche Verbesserung herbeigeführt, die Register- und Stempelabgaben vielfach ausgestaltet, bei der Erbschaftssteuer die Progression nach der Höhe der Erbportionen durchgeführt und die Steuersätze hier wie bei der Schenkungssteuer grösstenteils erheblich gesteigert. Zu den bisherigen Steuern traten u. a. die Militärtaxe, die Velozipedsteuer. Die seit den Jahren 1891-92 einsetzende schärfere Schutzzollrichtung war zum Teil auch von fiskalischen Interessen getragen und erwies sich auch für diese als vorteilhaft. Das Vorhandensein eines starken Fehlbetrages im Etat für 1910 zwang die Regierung u. a. einige Luxussteuern sowie die Erbschafts- und Schenkungssteuer neuerdings weiter anzuspannen.

Es soll nicht geleugnet werden, dass die in den letzten Jahrzehnten ergangenen zahlreichen Steuergesetze manche Verbesserungen gebracht, auch einen erheblichen Teil des neuen Steueraufkommens den leistungsfähigeren Klassen aufgebürdet haben: die Erhöhung der Kapitalrentensteuer i. J. 1890, dann die wiederholten Erhöhungen der Erbschafts- und Schenkungs- und der meisten Verkehrssteuern sind hierher zu zählen. Aber eben so sicher ist, dass die Verteilung der Steuerlast auch heute noch sehr viel zu wünschen lässt. Von den gesamten Bruttoeinnahmen aus Steuern entfallen etwa 28 Prozent auf die direkten Steuern, auf die Zölle, Monopole und Verbrauchssteuern rund 50 Proz., auf die Verkehrssteuern etwa 21 Proz. Und an der Steigerung der Bruttoeinnahmen der Steuern und Zölle von 1875 bis 1908, die nahezu 1 Milliarde Fr. betrug, sind die direkten Steuern mit 62,5, die Zölle mit 84,2, die Monopole mit 58,3, die Verkehrssteuern mit 15,4 Proz. beteiligt. Nun trifft von den Verkehrssteuern weitaus der grösste Teil auf die besitzenden Klassen (die Erbschaftssteuer ist seit 1875 auf mehr als das Doppelte gestiegen) und es wird dadurch die offensichtige Mehrbelastung der ärmeren Volksklassen durch die Zölle und Verbrauchssteuern in etwas ausgeglichen. Aber von einer gerechten Verteilung der Lasten kann auch nicht annäherungsweise gesprochen werden und vor allem bleibt der schwere Missstand, dass die direkten Steuern nach ihrer ganzen Veranlagung eine stärkere Anspannung kaum vertragen. Sie werden schon heute, zumal wegen der fortwährenden Zuschläge für Kommunal- und bestimmte Staatszwecke, von der Bevölkerung immer unangenehmer empfunden. Hier könnte nur eine gründliche Reform unter Aufgabe der veralteten Ertragssteuern und Hand in Hand mit einer Umgestaltung des kommunalen Steuerwesens Hilfe bringen. Deshalb hat das Verlangen nach einer allgemeinen Einkommensteuer, [121] das anfänglich nur wenig Stimmen auf sich vereinigt hat, im Laufe der Jahre doch immer mehr Anhänger gefunden. Allerdings haben bis heute zwei Ursachen ihre Einführung verhindert. Die eine ist der Widerstand der Vertreter der Rentnerklasse, die in Parlament und Presse noch eine einflussreiche Stellung einnimmt, die an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes interessiert ist, denen der mit der Einkommensteuer verbundene Zwang zu Deklarationen ganz unleidlich erscheint und die sich, wie O. Schwarz zutreffend betont, darauf berufen kann, dass die bisherige Besteuerung den Sparsinn der Bevölkerung in hervorragender Weise gefördert hat. „Denn indem sie mehr den tatsächlichen Aufwand als die wirtschaftliche Kraft besteuert und jedes lästige Eindringen in die Geheimnisse des Geldschrankes des einzelnen nach Möglichkeit vermeidet, fördert sie mächtig den Spartrieb, das Anlegen der Ersparnisse in einheimischen Renten- und sonstigen Werten und hat zweifellos sehr mit dazu beigetragen, dass Frankreich, trotzdem es nicht entfernt auf den Aufschwung Englands, Deutschlands und Nordamerikas in den letzten Dezennien zurückblicken kann, sich doch noch heute mit Recht als den ‚ersten Gläubiger der Welt‘ oder doch als einen der ersten Gläubiger betrachten darf.“ Die zweite Ursache, die der Einführung der Einkommensteuer entgegensteht, ist der fortwährende Wechsel der Ministerien, vor allem der Leiter des Finanzministeriums. Kein Finanzminister hat bisher Zeit gehabt, sich so einzuleben, dass er das Projekt der Einkommensteuer durch die Klippen der parlamentarischen Beratung hätte hindurchleiten und durch zähe Arbeit die Widerstände überwinden können, welche die politischen Verhältnisse, die wechselnden parlamentarischen Konstellationen, die Interessenvertretungen dem grossen Reformwerk bereiten. Es kommt dazu, dass die Wissenschaft, die in Deutschland Jahrzehnte hindurch die öffentliche Meinung auf die Notwendigkeit einer Umgestaltung des direkten Steuerwesens vorbereitet hatte, in Frankreich so gut wie ganz versagte. Ob und wann unter diesen Umständen das Einkommensteuerprojekt Caillaux’, das sich in der Hauptsache die englische Einkommensteuer zum Muster genommen hat, Gesetzeskraft erlangen wird, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.

Das Steuerwesen Grossbritanniens vor Beginn der grossen Kriegszeit zu Ende des 18. Jahrhunderts hat nichts Bestechendes an sich. Wie auf dem Kontinent der Absolutismus, so legte in England die das Parlament beherrschende Aristokratie die Hauptlasten des Steuerbedarfs auf den Verbrauch, ohne durch die Überlastung der unteren Klassen sich im Gewissen beschwert zu fühlen. Natürlich fehlte es nicht ganz an direkten Steuern: aber die, übrigens auch nur zeitweise erhobenen, Kopf-, Klassen- und Standessteuern waren doch recht willkürlich und ungleichmässig, belasteten zudem auch die kleinen Leute und wurden schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts nicht mehr erhoben; die Landsteuer, anfänglich eine rohe Ertragsteuer von Grundbesitz, persönlichem Vermögen und Besoldung, wurde mehr und mehr zu einer rohen, reallastartigen Grundsteuer; die sog. Haussteuer hatte tatsächlich den Charakter einer Wohn- und Mietsteuer; die ausserdem vorkommenden Spezialgewerbesteuern sind nur zum Teil solche, zum Teil sind sie Lizenzabgaben und haben als solche den gemischten Charakter von Sondergewerbe- und Aufwandsteuern. Den Hauptertrag aber lieferten das Zollwesen mit den zahlreichen Positionen und den hohen Sätzen und die eine grosse Menge von Gegenständen erfassenden Inlandsakzisen. So ruhte die Hauptlast der Steuern auf den mittleren und unteren Klassen. Nur zwei Steuern trafen vornehmlich die vornehmeren und wohlhabenderen Stände: die sog. Luxussteuern und die Verkehrsabgaben. Die Luxussteuern, in England im 18. Jahrhundert besonders stark ausgebildet, waren aber doch sehr ungleichmässig und willkürlich und relativ wenig ergiebig; die Verkehrsabgaben sind erst später zu nennenswerten Erträgen gesteigert worden.

Während in Frankreich, wie oben gezeigt worden ist, während der Revolutions- und Kriegszeit, zum Teil unter dem Einfluss ökonomischer und demokratischer Theorien, zum Teil unter dem Druck der Finanznot, ein Neu- und Umbau des Steuerwesens erfolgt war, versuchte man in dem konservativen, durch keine Inlandsbewegung erschütterten und von den unmittelbaren Schrecken des Krieges verschonten England die ins Ungemessene steigenden Lasten der Kriegszeit mittels des überlieferten Steuersystems zu bewältigen. Neben der beispiellosen Anspannung des Staatskredits musste zunächst eine starke Erhöhung und Vermehrung der bestehenden Abgaben, der Zölle, Akzisen, Luxus-, Verkehrs- und Erbschaftssteuern Erleichterung bringen. Nur eine Steuer [122] tritt in dieser Zeit neu hervor: die Einkommensteuer. Nach manchen Wandlungen, die hier nicht verfolgt werden können, wurde sie im Jahre 1803 dem Wesen nach zu einem Ertragssteuersystem mit einkommensteuerartigen Momenten umgestaltet und blieb als solche, wenn auch mit manchen Änderungen im einzelnen, bis 1816 bestehen. Sie war der Tribut, den in den Tagen der Not und nationalen Erhebung die vermögenderen Klassen dem Vaterlande darbrachten. Es wurde hierdurch und durch die Erhöhung der Luxus- und Verkehrssteuern ein, wenn auch ungenügender, Ausgleich gegenüber den grossen Opfern geschaffen, die den unteren Klassen durch die starke Belastung des Verbrauchs waren zugemutet worden. Die englische Einkommensteuer ist auch steuergeschichtlich insofern beachtenswert, als sie auf die spätere Gesetzgebung auf dem Kontinent von Einfluss war. Mit Recht ist es dagegen getadelt worden, dass das englische Parlament unter dem Drucke seiner Wähler die Einkommensteuer sofort fallen liess, als die finanziellen Verhältnisse es nur einigermassen erlaubten.

Die folgende Zeit bis zu Beginn der 40er Jahre ist ohne bemerkenswerte Änderungen im Steuerwesen im engeren Sinne verlaufen. Nach Beseitigung der Einkommensteuer verschob sich die Steuerlast wieder gewaltig zuungunsten der indirekten Steuern. Es schien, als ob „ein Bruch mit dem geschichtlich überkommenen Steuersystem, etwa aus politischen, sozialpolitischen, volkswirtschaftlichen oder auch nur aus fiskalischen, steuertechnischen Gründen damals doch noch ausserhalb des britischen Gesichtskreises lag. Wenigstens trugen nur einzelne Änderungen auf dem Gebiete der indirekten Steuern, besonders die Aufhebung der im Kriege sehr hoch gestiegenen Salzsteuer, sozialen Rücksichten auf die Konsumenten und Steuerzahler Rechnung“ (A. Wagner). Aber die volkswirtschaftlichen Verhältnisse und Doktrinen haben zu Beginn der 1840er Jahre tiefgreifende Änderungen und zum Teil völlige Neugestaltungen in der britischen Staatsbesteuerung herbeigeführt. Sie hängen mit dem Siege des Freihandelsprinzipes zusammen und setzen auf dem Gebiete des Zollwesens ein.

Schon seit den 20er Jahren waren Erleichterungen im Zollwesen beliebt worden. Mit der Herrschaft der Wighs und unter Peel als leitendem Staatsmann erfolgte die völlige Abkehr von dem bisherigen Schutzzollsystem. Was schliesslich an Zöllen verblieb, sind reine Finanzzölle von Genussmitteln, die, wie Tabak, alkoholische Getränke, Tee, Kakao, Zucker, Südfrüchte u. dergl., eine hohe Besteuerung vertragen können. Es waren vorwiegend auch freihändlerische Ideen, welche eine Vereinfachung des inländischen Akzisenwesens und teilweise auch des Stempelwesens begünstigten. Lagen diese schon auf einer Linie mit sozialpolitischen Forderungen, so feierten die letzteren einen schönen Sieg in der Wiedereinführung und dauernden Beibehaltung der Einkommensteuer. Wobei zu beachten ist, dass diese, wenn auch grundsätzlich an ihrer alten Form festgehalten wurde, doch sofort und namentlich in den späteren Jahrzehnten eine bemerkenswerte Weiterbildung erfahren hat. Sie wurde zur Hauptsteuer in der direkten Staatsbesteuerung Grossbritanniens; die noch vorhandenen Reste der alten Landtaxe und die reformierte mässige Haussteuer von Wohngebäuden haben neben ihr wenig Bedeutung. Weist die englische Einkommensteuer auch heute noch die Scheidung in 5 Abteilungen nach Art des Ertragsteuersystems auf, so unterscheidet sie sich von dem letzteren doch wesentlich zu ihren Gunsten durch die differenzierende Behandlung der einzelnen Ertragsquellen, den Abzug der Schuldzinsen und die Bemessung der Steuer nach der Gesamtsumme der Reinerträge. Durch eine weitgehende Befreiung kleiner und eine Ermässigung des Steuersatzes bei mittleren Einkommen wurde die früher arg vernachlässigte Schonung der unbemittelten und wenig vermöglichen Klassen erreicht. Zugleich ist die Einkommensteuer in steuerpolitischer Beziehung deshalb besonders bemerkenswert, weil sie in Zeiten plötzlich gesteigerten Bedarfs, so zur Zeit des Krim- und Burenkriegs, durch die jährlich erfolgende Feststellung des Steuerfusses das Gleichgewicht im Staatshaushalt mit erhalten half, ohne dass der Kredit allzusehr in Anspruch genommen zu werden brauchte. Allerdings blieb daneben eine starke Ausnützung der Finanzzölle und der Verbrauchssteuern bestehen und mussten auch diese in Kriegszeiten zur Deckung des Staatsbedarfs durch Zuschläge beitragen. Aber, von einer vorübergehenden Besteuerung auf Getreide, Mehl und Zucker während des Transvaalkrieges abgesehen, handelt es sich um Genussmittel im engeren Sinne, deren Besteuerung an sich nicht beanstandet werden kann, und zudem hat man auch bei diesen Steuern begonnen, sozialethische und sozialpolitische Gesichtspunkte durch Änderungen in den Steuersätzen zu berücksichtigen.

[123] Hat England schon durch die Wiedereinführung und Ausbildung der Einkommensteuer einen rüstigen Schritt zum Ziel der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gemacht, so hat es sich diesem noch weiter genähert durch die namentlich 1894 erfolgte Um- und Ausbildung seiner Erbschaftssteuern, die in ihrer heutigen Form wohl als intermittierende Vermögenssteuern bezeichnet werden dürfen. Rund 550 Mill. Mark ist ihr Bruttoertrag nach dem Budget von 1913/14.

Im Gegensatz zu dem Steuerwesen Frankreichs zeichnet sich so das Englands durch relativ grosse Einfachheit und weitaus bessere Verteilung der Steuerlast aus, ohne an finanzieller Ergiebigkeit hinter dem ersteren irgendwie zurückzustehen. War das englische Steuerwesen noch zu Ende des 18. und zu Mitte des vorigen Jahrhunderts veraltet, schwerfällig, ohne Spur sozialpolitischen Einschlags, so dass es in auffälligem Kontraste stand zu seiner hochentwickelten Volkswirtschaft, so ist der folgenden Entwickelung ein grosser Zug nicht abzusprechen. Das wird auch der bereitwillig anerkennen, der die der englischen Einkommensteuer auch heute noch anhaftenden Mängel nicht verkennt. In welchem Masse eine Lastenverschiebung durch die Reformen der letzten Jahrzehnte eingetreten ist, mag daraus erhellen, dass in den drei Dezennien seit 1875/76 (nach O. Schwarz) die Erträge der Einkommen- und der Erbschaftssteuer um 894 Mill. Mk. gewachsen sind und für sich allein nahezu hinreichten, um die Zunahme des Heeres-, Flotten- und Unterrichtsbedarfes seit jener Zeit mit 936 Mill. M. zu decken, dass 1875/76 von der gesamten Steuerlast nur 19,3 Proz. auf die direkten Steuern (einschliesslich Erbschaftssteuer) entfielen, 80,7 Proz. auf die indirekten, während 1907/08 auf die ersteren 44,8, auf die letzteren nur mehr 55,2 Proz. trafen.

Die allerjüngste Zeit bewegt sich im Steuerwesen der Hauptsache nach auf der gleichen Linie. Die imperialistische Politik, die Ausgaben für den Machtzweck, insbesondere die Marine, haben Fehlbeträge von 300 und mehr Millionen Mark im Staatsbudget hervorgerufen, zu deren Deckung neuerdings eine Mehrung der Steuereinkünfte bewirkt werden musste. Zum Teil musste sich auch in England wie bei gleicher Lage in Deutschland der Verbrauch allgemeiner Genussgüter, des Tabaks, des Branntweins, eine erhöhte Belastung gefallen lassen, zum Teil wurden wie bei uns die Stempelabgaben, dann einzelne Lizenzen erhöht, zum grossen Teil fielen die Mehrleistungen auf Einkommen und Besitz. Die Erhöhungen der Einkommensteuer trafen aber nur die Einkommen über 3000 Pf. St., in bestimmten Fällen traten sogar Erleichterungen gegen früher ein; die Erbschaftssteuer wurde gleichfalls nur für die grösseren Erbschaften und für entferntere Verwandte und Nichtverwandte erhöht. Als neue Steuer trat eine Abgabe vom unverdienten Gewinne an Grund und Boden, eine Wertzuwachssteuer in mehreren Unterarten hinzu. Eine völlige Deckung der Mehrausgaben wurde aber durch alle diese Mittel nicht erreicht. Und so musste man selbst in dem reichen England sich entschliessen, den Schuldentilgungsfonds zu kürzen und die hierdurch freiwerdenden Summen dem neuen Bedarfe zuzuführen.

Nun noch ein Wort über das Steuerwesen der Kommunalkörper und dessen Verhältnis zum Staatssteuerwesen. Es scheint dies umso berechtigter, als über die englische Kommunalbesteuerung vielfach irrige Anschauungen bestehen, deren Berichtigung erforderlich ist, wenn die Vergleichung der englischen Gesamtbesteuerung mit der eines anderen Landes, etwa mit der deutschen, zutreffend sein soll.

Einer oberflächlichen Betrachtung möchte es scheinen, als ob im kommunalen Steuerwesen die Steuerlast vornehmlich auf den Besitzenden läge. Denn die englischen Lokalsteuern, besonders die Poor rates wollen die „sichtbaren, in der Gemeinde belegenen Vermögenswerte“, also vor allem die Grundstücke, einschliesslich der Wälder, Kohlenbergwerke usw., und die Gebäulichkeiten aller Art treffen. Allein in Wirklichkeit liegt die Sache ganz anders, weil diese Steuern nicht vom Eigentümer der Liegenschaften, sondern vom Nutzniesser, also auch dem Pächter und Mieter, erhoben werden, denen es nur in seltenen Fällen gelingen dürfte, die Steuer auf den Eigentümer überzuwälzen. Die im Jahre 1896 eingeführte Erleichterung der die Landwirtschaft treibenden Steuerpflichtigen und die den kleinen Mietern gewährte Ermächtigung, die Steuer auf den Vermieter abzuwälzen, hat nichts Wesentliches geändert. Diese Steuern treffen die Besitzenden weit weniger als die kleinen Mieter und die Pächter und wirken in zahllosen Fällen als Besteuerung des Wohnungsaufwandes oder des Arbeitsverdienstes. Diese ganze Besteuerung stammt aus einer [124] Zeit, in der die Wirtschaftsverhältnisse viel einfacher waren wie heute, in der Einkommen und Vermögen noch in der Hauptsache auf dem Immobiliarbesitz beruhten. Heute ist sie durchaus veraltet und entspricht weder dem Grundsatze der Allgemeinheit noch dem der Gerechtigkeit. Sie ist deshalb auch ungeeignet, dem rasch und stark wachsenden Bedarfe der Lokalbehörden sich anzupassen. Woraus es sich dann, wenigstens zum Teil, erklärt, dass die Schulden der Kommunalkörper in wenigen Jahrzehnten zu beträchtlicher Höhe anliefen, und dass der Staat mit Überweisungen von Steuererträgen zu Hilfe kommen musste. In der Form solcher Überweisungen oder Dotationen tragen dann allerdings auch Vermögensbesitz und Gewerbebetrieb zur Deckung des Kommunalbedarfes bei; da aber auch und zwar in noch höherem Masse Zölle und Verbrauchssteuern an jenen beteiligt sind, so fehlt es an einem entsprechenden Ausgleich.

Kaum irgendwo hat sich der Umgestaltungs- und Konsolidierungsprozess im Steuerwesen unter solchen Schwierigkeiten vollzogen wie in Deutschland.

Das Steuerwesen der deutschen Staaten zu Ende des 18. Jahrhunderts ist so verwickelt und buntartig, dass es mit wenigen Worten nicht beschrieben werden kann. Nicht nur unterscheiden sich die einzelnen Staaten wesentlich von einander je nach ihrer historischen Entwickelung, ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, dem grösseren oder geringeren Einfluss der Stände auf das Finanzwesen, sondern es fehlt auch innerhalb desselben Staates nicht an zahlreichen provinziellen und territorialen Verschiedenheiten. Nirgends weist das Steuerwesen einen auch nur halbwegs befriedigenden Zustand auf. Weder der Grundsatz der Allgemeinheit war verwirklicht, denn die Privilegien des Adels, der Beamtenschaft usw. bestanden vielerorts fort, noch der Grundsatz der Gerechtigkeit, denn die Steuerlast lag ganz überwiegend auf den unteren und mittleren Klassen. Ob die deutschen Staaten von sich aus, ohne äusseren Anstoss, bald zu einer Umgestaltung ihres Steuerwesens gelangt wären, ist heute eine umso müssigere Frage, als die geschichtlichen Ereignisse zu Anfang des vorigen Jahrhunderts mit gebieterischer Gewalt diese Umgestaltung tatsächlich erzwangen. Es geschah dies zum Teil noch während der grossen Kriegszeit, zum grösseren Teil aber nach deren Beendigung.

Am schwersten wohl von allen deutschen Staaten war Preussen durch die napoleonischen Kriege betroffen. Die finanziellen Lasten, die es in Form von Kriegsrüstungen, Kontributionen usw. zu tragen hatte, waren ungeheuer. Nur mittels höchster Ausnutzung des Kredits, durch Ausgabe von Papiergeld und schwersten Steuerdruck gelang es, den finanziellen Zusammenbruch zu vermeiden. Dass im Steuerwesen zunächst nur die Rücksicht auf die Deckung des Bedarfes massgebend war, ist natürlich. Allerdings hatte man schon während der Kriegszeit erkannt, dass eine Neugestaltung des Steuerwesens unerlässlich sei. Das Finanzedikt vom 27. Oktober 1810 hatte als leitende Gesichtspunkte eines neuen Steuersystems verkündet: Tragung der Abgaben nach gleichen Grundsätzen von jedermann im Staate, Vereinfachung der Abgaben und ihrer Erhebung, namentlich eine gleiche und verhältnismässige Verteilung der Grundsteuer auf alle Pflichtigen mittels eines neuen Katasters. Aber die Fortdauer des Kriegszustandes und der finanziellen Not verhinderten zunächst eine Verwirklichung dieser Grundsätze. Das Edikt vom 7. September 1811 hielt an der steuerlichen Scheidung von Stadt und Land fest: die grösseren Städte hatten die alten Akzisen, Aufschläge auf alle möglichen Waren, und einige neue Verbrauchsabgaben zu entrichten, das platte Land und die kleineren Städte wurden zwar von der Mahlsteuer befreit und in anderen Verbrauchssteuern erleichtert, dagegen mit einer neuen Personalabgabe (½ Taler von jeder über 16 Jahre alten männlichen Person) getroffen; daneben blieb die alte Grundsteuer und ebenso das Salzregal bestehen. Neu war die Gewerbesteuer von 1810, eine Folge der neuen Gewerbeverfassung, die als rohe Klassensteuer nach äussern Merkmalen erhoben wurde. Im gleichen Jahre wurde die Stempelsteuer erweitert und erhöht. Einige Versuche mit Vermögens- und Einkommensteuern führten nicht zum Ziele.

Eine für drei Jahrzehnte und zum Teil darüber hinaus die Richtung gebende Reform erfolgte nach Abschluss der Kriege in den Jahren 1820–22. Die Veranlassung lag unter anderm in der Notwendigkeit, die Verschiedenartigkeit der Steuerverfassungen in den alten und den neu erworbenen Landesteilen nach Möglichkeit zu vereinfachen. Das wichtigste war die Umbildung der Personalsteuer auf dem Lande und in den kleineren Städten in eine nach ständischen Gesichtspunkten [125] abgestufte Klassensteuer und die Ersetzung der alten Akzise in den grösseren Städten durch die Mahl- und Schlachtsteuer. Der Klassenschematismus der Gewerbesteuer wurde etwas feiner ausgestaltet, das Stempel- und Registerwesen und die Salzsteuer im ganzen Lande einheitlich geordnet, die Tabak-, Bier-, Branntwein- und Weinsteuer neu geregelt. Die Grundsteuer dagegen blieb in dem alten Zustande provinzieller Verschiedenheit. Wenn auch Besserungen im einzelnen unverkennbar sind, so hafteten dem Reformwerk doch schwere Gebrechen an: durch die verschiedene steuerliche Behandlung von Stadt und Land verzichtete man von vornherein auf eine wahre Gleichmässigkeit in der Besteuerung; die Klassensteuer drückte schwer auf die untern Klassen, während sie die Vermöglicheren stark begünstigte; der Grossgrundbesitz war so gut wie steuerfrei; die Verbindung der Gebäudesteuer mit der Grundsteuer und die provinziellen Verschiedenheiten im Grundsteuerwesen waren weitere Mängel. Wenn dieses Steuerwesen bis 1851 in Bestand bleiben konnte, so war dies nur dem Umstande zuzuschreiben, dass infolge des Rückganges der Ausgaben und des allmählichen Aufschwunges des Wirtschaftslebens die Steuerlasten sich in mässigen Grenzen hielten.

Die revolutionäre Bewegung von 1848 brachte die Steuerreform neuerdings in Fluss. Es wurde gesetzlich bestimmt, dass die Steuergesetzgebung einer Revision unterstellt, alle Bevorzugungen abgeschafft, neue nicht mehr eingeführt werden sollten. Durch Gesetz vom 1. Mai 1851 wurde die Klassensteuer durch die Klassen- und klassifizierte Einkommensteuer ersetzt und der letzteren alles Einkommen von mehr als 1000 Talern unterworfen. Man war damit dem Prinzip der Einkommensteuer näher gekommen und traf das höhere Einkommen aus Gewerbe- und Immobilienbesitz, dem fundierten Charakter dieses Einkommens entsprechend, doppelt. Ein Mangel blieb die unzureichende Erfassung der Kapitalrente und die ungenügende Veranlagung. Im Jahre 1861 kam nach langer Verzögerung auch die Neuregelung der Grundsteuer und die Verselbständigung der Gebäudesteuer zustande. An der Gewerbe-, der Stempel- und Erbschaftssteuer wurden Änderungen vorgenommen, eine Eisenbahn- und Bergwerksteuer neu eingeführt. Vergleicht man die Jahre 1850 und 1861 mit einander, so hat sich eine nur unbedeutende Verschiebung in der Verteilung der Steuerlast zwischen den Erwerbs- und Besitzsteuern einerseits, den Verbrauchssteuern und Zöllen andererseits zugunsten der ersteren vollzogen. Während nämlich 1850 die ersteren etwa 4,60, die letzteren 4,39 Mk. auf den Kopf der Bevölkerung betrugen, sind es im Jahre 1861 5,50 und 6,06 Mk. gewesen. Immerhin ist das Ergebnis in diesem Sinne erheblich günstiger als die Steuerausteilung in dem Frankreich und England jener Zeit.

Aber auch nach der eben erwähnten Regelung war die Klassen- und klassifizierte Einkommensteuer, die sich immer mehr zur beherrschenden direkten Steuer entwickelte, recht unvollkommen. Das Fehlen einer Untergrenze bei der Klassensteuer, die Festsetzung einer Obergrenze bei der Einkommensteuer bewirkte dort starke Härten, hier unberechtigte Vergünstigungen. Der Unterschied von Klassen- und Einkommensteuer war überhaupt nicht mehr haltbar; auch die Abgrenzung der einzelnen Stufen entsprach den Verhältnissen nicht mehr. Die Steuerreform vom 25. Mai 1873 hielt zwar an der Zweiteilung der Steuer noch fest, vermehrte aber die Zahl der Steuerstufen, hob die obere Grenze auf und bestimmte als Untergrenze ein Einkommen von 140 Talern. Auch wurden die Steuersätze in den 12 Stufen der Klassensteuer degressiv gestaltet, während sie bei der Einkommensteuer prozentual blieben; bei den beiden untersten Stufen durften bereits damals besondere die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Umstände im Ausmasse der Steuer berücksichtigt werden. Die Mahl- und Schlachtsteuer wurde als Staatssteuer aufgehoben und durch die Klassensteuer ersetzt. War die Befreiung der kleinsten Einkommen bei dieser Reform mehr aus steuerpolitischen Erwägungen gewährt worden, nämlich um die lästige und kostspielige Erhebung bei den zahlreichen kleinen Leuten zu beseitigen, so geschah die Erhöhung des Existenzminimums im Jahre 1883 auf 900 Mk. und die Ermässigung einzelner Sätze der Klassensteuer und der unteren Stufen der Einkommensteuer doch schon unter dem Antrieb sozialpolitischer Rücksichten, für welche die deutsche Wissenschaft seit den 1870er Jahren einzutreten begonnen hatte.

Eine grundlegende Umgestaltung des direkten Steuerwesens brachten die Jahre 1891 und 1893. Das Gesetz vom 24. Juni 1891 hob die längst unhaltbar gewordene Scheidung zwischen der Klassen- und der klassifizierten Einkommensteuer auf und schuf an deren Stelle eine einheitliche [126] allgemeine Einkommensteuer; an Stelle der mit vielen Unzuträglichkeiten verbundenen Steuereinschätzung trat der Deklarationszwang; neben den physischen Personen wurde auch das Einkommen der wichtigsten juristischen der Besteuerung unterworfen. Das Existenzminimum blieb das gleiche wie bisher, aber die Steuersätze stiegen viel langsamer, erreichten erst bei 10 000 Mk. 3% (bisher schon bei 3000 Mk.), bei 100 000 Mk. 4%, und aussergewöhnliche Belastungen des Steuerpflichtigen, besonders durch Unterhalt und Erziehung der Kinder, fanden in Ermässigung der Steuer entsprechende Berücksichtigung. So trug die preussische Finanzverwaltung unter Miquel den Forderungen der Theorie Rechnung, die sich immer entschiedener für progressive Besteuerung und Schonung der minder bemittelten Klassen aussprach. Durch Gesetz vom gleichen Datum wurde auch die veraltete Gewerbesteuer (mit Ausnahme der Wandergewerbesteuer) auf eine neue Grundlage gestellt, indem sie auch formell in eine Ertragsteuer in vier Abteilungen nach der Grösse des Ertrages und des in einer Unternehmung investierten Kapitals ausgestaltet wurde. Eine besondere Steuer wurde daneben für den Betrieb der Schank- und Gastwirtschaft und des Kleinhandels mit Branntwein und Spiritus eingeführt. Schon längere Zeit hat die Wissenschaft auf die höhere Leistungsfähigkeit des fundierten Einkommens gegenüber dem nichtfundierten hingewiesen und die Berücksichtigung dieser Tatsache auch im Steuerwesen verlangt. Das Ergänzungssteuergesetz vom 14. Juli 1893 trug dieser Forderung Rechnung, indem es neben die Einkommensteuer eine mässige prozentuale Vermögenssteuer für alle Vermögen im Werte von mehr als 6000 bezw. 20 000 Mk. setzte. Die dem Staate durch die Neugestaltung des Steuerwesens in Aussicht gestellten Mehrerträge gaben dann die Möglichkeit auf die bisherigen Ertragsteuern, die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, zu verzichten und diese den Gemeinden zu überweisen. Damit ist das Staatssteuerwesen Preussens auf die einfachste Formel gebracht und das steuerrechtliche Verhältnis zwischen Staat und Gemeinde in passender Weise geregelt worden. Der Staat schöpft seinen Steuerbedarf aus der Personalbesteuerung, den Gemeinden stehen in erster Linie die für sie jedenfalls nicht ungeeigneten Realsteuern zur Verfügung. Die kleineren Reformen der Einkommen- und Vermögenssteuer sowie des Kommunalabgabengesetzes in den Jahren 1906 und 1909 dürfen hier, da sie nichts grundsätzlich Neues brachten, übergangen werden.

Es würde zu weit führen, hier auch des Entwickelungsprozesses zu gedenken, der im Steuerwesen der übrigen deutschen Staaten während des 19. Jahrhunderts sieh vollzogen hat. Wir begnügen uns, kurz dessen Ergebnisse zusammenzufassen.

In denjenigen Staaten, welche, wie Bayern und Württemberg, mit einem reichen Zuwachs an Staatsgebiet aus der napoleonischen Kriegszeit hervorgingen, war die erste Sorge der Regierung zunächst darauf gerichtet, grössere Einheit in das Steuerwesen zu bringen. Das führte dann von selbst zu neugestaltenden Reformen, die im Süden Deutschlands, unter dem Einfluss des französischen Beispiels, mit dem Siege des Ertragssteuersystems endeten. Bayern hat sich in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts für dieses System entschieden, es aber erst in den 50er Jahren rein und lückenlos durchgeführt. Im Jahre 1881 erfolgte, nachdem der Versuch mit einer ergänzenden allgemeinen Einkommensteuer gescheitert war, eine Revision des Steuerwesens, die aber nur bei der Gewerbesteuer tiefer eingriff, indem hier an Stelle der Steuerbemessung nach äusseren Merkmalen in zahlreichen Fällen die nach dem wirklichen Ertrage trat. Durch vollen Abzug der Schuldzinsen bei der Kapitalrentensteuer und teilweisen bei der Gewerbe- und sog. Einkommensteuer, durch Steuerbefreiungen und progressive Steuersätze wurde dieses Ertragsteuersystem dem Prinzip der Einkommenbesteuerung näher gebracht. Auch der Forderung, die fundierten Einkommensbezüge höher zu belasten als die unfundierten, wurde durch mildere Behandlung der Löhne und Gehälter in etwas Rechnung getragen. Die Gesetzgebung vom 6. Juni 1899 schritt auf dem betretenen Wege weiter und förderte das Einkommensteuerprinzip noch weiter durch feinere Ausgestaltung der Besteuerung und stärkere Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit. Durch das Reformwerk vom 14. August 1910 hat Bayern die allgemeine Einkommensteuer, im wesentlichen nach preussischem Muster, jedoch mit erheblich niedrigerem Existenzminimum und einer Progression bis zu 5% (bei mehr als 300 000 Mk.). zur Einführung gebracht. Die Mehrbelastung des fundierten Einkommens erfolgt durch die Ertragsteuern vom Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Kapitalertrag, die aber in ihren Sätzen erniedrigt und teilweise (Gewerbesteuer) erheblich umgestaltet wurden. [127] Die Ersetzung der Ertragsteuern durch eine Vermögenssteuer ist nur eine Frage der Zeit. Die Gemeinden sind nach wie vor zur Deckung ihres Steuerbedarfes in der Hauptsache auf Zuschläge zu den sämtlichen direkten Staatssteuern, jedoch nach einer neuen, ziemlich komplizierten Abstufung, angewiesen. Schon vorher hatte Baden 1884 eine allgemeine Einkommensteuer eingeführt, neben der die Ertragsteuern (ohne Arbeitsertragssteuer) zur schärferen Belastung des fundierten Einkommens beibehalten worden waren. Das Jahr 1906 brachte dann eine Ersetzung der Ertragsteuern durch eine Vermögenssteuer, die sich aber von der preussischen dadurch unterscheidet, dass für die einzelnen Vermögensgattungen (Grund und Boden, Gebäude, Gewerbe- und Kapitalvermögen) Spezialwertkataster gebildet wurden, aus denen der der Besteuerung zugrunde liegende Gesamtvermögenskataster zusammengestellt wird. Schulden dürfen nur bis zur Hälfte der Vermögenswerte abgezogen werden. Württemberg war 1906 mit der Einführung der Einkommensteuer gefolgt. Hier sind aber die Ertragssteuern, ähnlich wie in Bayern, zur Vorbelastung des fundierten Einkommens beibehalten worden. Sachsen war am frühesten von allen grösseren deutschen Staaten zum Personalsteuerprinzip übergegangen. Durch Gesetz vom 2. Juli 1878 hat es sein allerdings recht ungenügendes Ertragssteuersystem durch eine allgemeine Einkommensteuer ersetzt, neben der nur die ermässigte Grundsteuer und die Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen bestehen blieben. Die Einkommensteuer wurde dann in der Folge noch etwas ausgestaltet. Sie beginnt mit 400 Mk. Einkommen und erreicht bei Einkommen über 100 000 Mk. 5%. Im Jahre 1912 erfolgte auch hier die Einführung einer Ergänzungs- (Vermögens-) steuer.

Der dermalige Zustand des direkten Staatssteuerwesens in Deutschland ist also charakterisiert durch den Sieg der allgemeinen Einkommensteuer. Nur die beiden Mecklenburg und Elsass-Lothringen entbehren sie noch zurzeit; das letztere wird aber, da ein darauf bezüglicher Entwurf der Regierung bereits vorliegt, voraussichtlich in Bälde sein Ertragssteuersystem durch die allgemeine Einkommensteuer ersetzen oder ergänzen. Auch die Vermögenssteuer hat in einer grossen Anzahl deutscher Staaten Eingang gefunden, neben Preussen, Sachsen und Baden noch in Hessen, Braunschweig, Oldenburg und Sachsen-Gotha. Die übrigen Staaten haben, soweit sie zur Einkommensteuer gelangt sind, daneben die sämtlichen Ertragsteuern vom fundierten Ertrag beibehalten, wie Bayern und Württemberg, oder die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer oder wenigstens die beiden ersteren. Fast überall ist die Hausiergewerbesteuer dem Staate verblieben. In Einzelheiten finden sich freilich noch zahlreiche Abweichungen. Sie betreffen, was die Einkommensteuer anbelangt, die Abgrenzung der Existenzminima, die Steuerprogression, die Wahl der Steuerstufen, den Umfang der Steuerbefreiungen und -ermässigungen u. a. Und ähnliche Verschiedenheiten weisen die Vermögenssteuern auf. Sie erklären sich zum Teil aus historischen, zum Teil aus den wirtschaftlichen Verhältnissen, aus der verschiedenen Grösse des Steuerbedarfes und dergleichen Umständen. Alle aber erstreben eine der Leistungsfähigkeit angepasste Lastenverteilung. Des weiteren ist der heutige Zustand im deutschen Staatssteuerwesen charakterisiert durch das Fehlen der Verbrauchssteuern und die geringere Ausnützung der Verkehrssteuern einschliesslich der Erbschaftssteuer. Nur in den süddeutschen Staaten liefert die Biersteuer erhebliche Einnahmen. Da die höheren Kommunalkörper ihren Steuerbedarf ganz, die Lokalgemeinden ihn zum weitaus grössten Teile durch Zuschläge zu den direkten Steuern oder durch selbständige Erhebung von solchen decken, so werden in Staat und Gemeinde 85–90% und mehr des Steuerbedarfes durch direkte Steuern aufgebracht.

Allein das Bild vom deutschen Steuerwesen wäre unvollkommen, wollte man nicht auch die grossen Summen in Rechnung setzen, welche das Reich alljährlich an Steuern einfordert und die in weit höherem Masse Aufwand und Verbrauch belasten als Besitz und Einkommen.

Es lag in der Natur der Dinge und war in politischer und finanzieller Hinsicht durchaus zweckmässig, dass das Reich sich zunächst und in erster Linie der teilweise bereits gemeinsam verwalteten sog. indirekten Steuern, der Salz-, Tabak-, Rüben-, Bier-, Branntweinsteuern sowie der Zölle bediente, um seine Ausgaben zu bestreiten. Auf diesem Wege gelang es, eine reinliche Scheidung zwischen den Steuereinnahmen des Reiches und denen der Bundesstaaten zu bewirken, beiden eine selbständige Entwicklung ihres Finanzwesens zu sichern und alle die Verwicklungen und Reibungen zu vermeiden, die die Besteuerung derselben Steuerquellen durch Reich und Land notwendig [128] zur Folge gehabt hätte. Nur die, anfangs unbedeutenden, Stempelabgaben und die Matrikularbeiträge – letztere soweit sie aus direkten Steuern der Einzelstaaten flossen und tatsächlich entrichtet wurden – konnten als Einkommens- und Besitzsteuern gelten. Allein diese machten bis 1900, von ganz wenigen Ausnahmefällen abgesehen, nie mehr als ein Zehntel der Zölle und Verbrauchssteuern aus. Solange es irgend ging, suchte man im Deutschen Reiche den rasch und stark anwachsenden Bedarf durch Erhöhung und ergiebigere Ausgestaltung der alten grossen Verbrauchssteuern zu befriedigen, neben denen nur die Verkehrssteuern seit 1881 wiederholte Steigerungen erfuhren. Auch die seit 1900 beginnende finanzielle Kalamität des Reiches wurde vorwiegend durch Erhöhung der alten Steuern und Einführung neuer Verbrauchsabgaben zu beseitigen versucht. Die Finanzreform von 1909 erhoffte aus der Erhöhung der Bier-, Branntwein-, Schaumwein-, Tabak- und Zigarettensteuer sowie aus der neuen Leuchtmittel- und Zündholzsteuer und aus der Erhöhung des Tee- und Kaffeezolles bezw. aus der Beibehaltung der vollen Zuckersteuer und der Fahrkartensteuer rund 365 Mill. Mk. zur Deckung des Mehrbedarfes von 500 Mill. Mk. Aber das Reich konnte doch nicht umhin, auch die Besitz- und Einkommensteuern für Reichszwecke in Anspruch zu nehmen. Es war dies schon 1906 geschehen durch Einführung der Reichserbschaftssteuer, wodurch den Bundesstaaten nur mehr ein Drittel des in ihren Grenzen aufgekommenen Rohertrages (und das Recht zur Einführung von Deszendentensteuern und zur Normierung höherer Steuersätze) belassen wurde und es geschah dies noch mehr bei der Finanzreform von 1909 durch Erhöhung verschiedener Stempelsteuern, durch Einführung einer Grundstücks-Umsatzsteuer, einer Talon-, einer Schecksteuer, durch Verkürzung des Anteils der Einzelstaaten an der Reichserbschaftssteuer auf ein Viertel und durch Erhöhung der Matrikularbeiträge auf das Doppelte; es geschah dies im Jahre 1911 durch Einführung der Reichszuwachssteuer, von der allerdings ein erheblicher Teil den Gemeinden und Einzelstaaten verbleibt, und vollends durch Reichssteuergesetzgebung vom 3. Juli 1913, welche den Wehrbeitrag und die Besitzsteuer brachte (s. 39. Abschnitt). Der Zustand im Deutschen Reiche war nach dem Etat von 1911 so, dass von den gesamten Einnahmen des Reiches aus Steuern und Matrikularbeiträgen mit 1531 Mill. Mark 1214 Mill. Mk. aus Verbrauch und Aufwand, 317 Mill. aus Einkommen und Besitz fliessen. Während früher nur ein Zehntel des Reichssteuerbedarfs aus den beiden letzten Quellen floss, ist es 1911 ein Fünftel.

Immerhin ist das Verhältnis der Verbrauchssteuern und Zölle zu den Besitz- und Einkommensteuern in Deutschland, Reich und Einzelstaaten zusammen genommen, günstiger als in Frankreich und in England. Schon i. J. 1911, also noch vor der jüngsten Gesetzgebung, entfielen nach den Angaben im Statistischen Jahrbuch des deutschen Reichs 1911 S. 369 bei uns auf Zölle und Verbrauchssteuern etwa 1500 Mill., auf Verkehrs- und direkte Steuern rund 1140 Mill. Mk., was ein Verhältnis von 53 zu 47 ergäbe. Dabei ist aber zu beachten, dass in Deutschland das kommunale Steuerwesen, das bereits über ein Drittel aller Steuern ausmacht, fast ganz auf den besitzenden und leistungsfähigeren Klassen der Bevölkerung liegt, während in England, trotz der direkten Form der Kommunalbesteuerung, die minderbemittelten Klassen in viel höherem Masse zu den kommunalen Lasten herangezogen werden, und in Frankreich, den andern romanischen Staaten und Österreich das Oktroi noch in starkem Masse in Anspruch genommen wird.

II.[Bearbeiten]

Die geschichtliche Übersicht über das Steuerwesen seit 1800 bis zur Gegenwart hat gezeigt, dass dieses reich ist an Bewegungen und Gährungen, an Veränderungen und Neubildungen. Kein Staat ist von ihnen verschont geblieben und in manchen Staaten ist kaum ein Jahrzehnt ohne grössere oder kleinere Reformen verlaufen. Bezeichnend für diesen Entwicklungsprozess ist die allmähliche Verschiebung der durch die Reformen angestrebten Ziele. Zwar die Veranlassung ist in den weitaus meisten Fällen die gleiche: es ist regelmässig der Zwang, der von den gesteigerten Bedürfnissen des Staates oder der anderen öffentlichen Körper ausgeht und auf Erhöhung der Steuereinnahmen drängt. Aber je länger je mehr treten bei der Durchführung der Reformen auch andere Rücksichtnahmen in Konkurrenz mit den rein fiskalischen. Waren es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts politische Erwägungen, die in vielen deutschen Staaten, in Österreich, später noch in Italien zur [129] Unifikation und Umbildung des Steuerwesens führten, so ist der weitere Verlauf der Reformen mehr durch die tiefgreifenden Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Leben, die Umgestaltungen der Produktionstechnik, die Lockerung der alten ständischen und beruflichen Gliederung, die zunehmende Differenzierung der Einkommen und Vermögen, die Beweglichkeit der Kapitalien und zahlreiche andere Ursachen beeinflusst worden. Neue politische und soziale Ideen treten auf. Die Ausstattung immer breiterer Massen mit politischen Rechten zwingt zur Rücksichtnahme auf deren Forderungen. Das soziale Gewissen erwacht und wird durch die sozialistische Kritik und die ethischen Anschauungen, die in der Volkswirtschaftslehre sich Bahn brechen, wach erhalten. Dieser Ideenrichtung kann die formale Gleichheit und Gerechtigkeit, wie sie die alten Ertragssteuersysteme zu verwirklichen trachteten, nicht mehr genügen. Man will im Steuerwesen den wirklichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen möglichst nahe rücken, die Besteuerung möglichst der Leistungsfähigkeit anpassen. Diese Bewegung fand an der Wissenschaft, wenigstens an der deutschen seit den 1870er Jahren, kräftigen Rückhalt. Immer heftiger wird der Kampf gegen die sog. indirekten Steuern, die Verbrauchsabgaben und die Zölle, deren Wirkung auf den Einzelhaushalt unberechenbar und unkontrollierbar ist und von denen man, und in der Regel auch mit Recht, eine stärkere Belastung der unteren Klassen anzunehmen sich für berechtigt hält. Freihändlerische Strömungen und parteipolitische Dogmen verhindern zudem, wenigstens in Deutschland, eine Ausbildung staatlicher Monopole, obwohl diese noch am ehesten eine Anpassung der Steuer an die Leistungsfähigkeit der Verbraucher verbürgt hätten. Wo Verbrauchssteuern nicht umgangen werden können, da fordert man im Interesse einer ausgleichenden Gerechtigkeit eine stärkere Heranziehung der besitzenden Klassen durch rationelle Ausgestaltung der direkten Steuern. Der Ruf nach der allgemeinen Einkommensteuer, der in Deutschland seit 1848 nicht mehr verstummte, hat sich allmählich so bemerkbar gemacht, dass, wie die historische Übersicht zeigte, ihr Sieg heute besiegelt ist. In ihr glaubt man den richtigen Repräsentanten einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gefunden zu haben. Sie ist aber nicht nur der Ausdruck demokratischer Forderungen geworden, sondern hat auch ihrerseits wieder die ganze Frage der Gerechtigkeit im Steuerwesen neu angeregt. Nur sind es jetzt mehr die feineren Probleme der Progression, der Abstufung der Steuersätze, der Festsetzung des Existenzminimums, der Berücksichtigung der individuellen, die Leistungsfähigkeit mindernden Verhältnisse, die sich in den Vordergrund der Betrachtung geschoben haben. Ebenso und von gleichen Grundideen ausgehend hat man, anfangs schüchtern, später immer entschiedener, die Vorbelastung des fundierten Einkommens durch Vermögens- oder auf Besitz beruhende Ertragssteuern, zum Teil auch durch andere Besitzabgaben, vornehmlich die Ausgestaltung der Erbschaftsbesteuerung, gefordert. Des weiteren hat in nahezu allen westeuropäischen Staaten, in Deutschland sowohl wie in Österreich, England, Frankreich, das Anwachsen des Kommunalbedarfes zur Frage nach der zweckmässigsten Ordnung des kommunalen Steuerhaushaltes angeregt. Die Vorschläge, die in dieser Hinsicht gemacht wurden, und die tatsächlich durchgeführten Reformen mussten auch auf das staatliche Steuerwesen zurückwirken. Es musste die Frage nach einer geeigneten Austeilung der Steuern auf Staat und Gemeinde erwogen und entschieden, Kommunal- und Staatsbesteuerung in ein organisches Verhältnis zu einander gebracht werden, so dass jede für sich der besonderen Natur des betreffenden öffentlichen Körpers und die Gesamtbesteuerung doch dem Wesen der finanziellen Einheit von Staat und Gemeinde entsprach. Dazu trat in Deutschland mit der Begründung des Reiches die schwierige Aufgabe, auch den Bedürfnissen des Reiches nach Steuereinnahmen gerecht zu werden, ohne den Gliedstaaten ihren Anspruch auf solche zu verkümmern, und ohne die im Einzelstaat mühsam errungenen Fortschritte auf dem Wege zur Steuergerechtigkeit aufzuheben oder allzusehr zu beeinträchtigen. Vergegenwärtigt man sich diese steuerpolitischen Schwierigkeiten, neben denen noch zahlreiche andere rein politischer, technischer, wirtschaftlicher Art einhergehen, so kann es nicht wunder nehmen, dass z. B. die Finanzreformen des Reiches von 1906 und 1909 eine schier unübersehbare Literatur hervorgerufen haben, die überreich ist an Kontroversen, je nach der politischen Auffassung, der wirtschaftlichen Stellung, dem finanziellen Verständnis und dem sozialen Empfinden der Verfasser.

Schon die heute noch bestehenden, oft weit auseinandergehenden Meinungsverschiedenheiten, die tatsächlichen Unterschiede im Steuerwesen der einzelnen Staaten, die rastlos sich vollziehenden [130] Wandelungen im Wirtschaftsleben und andere Umstände bürgen dafür, dass auch die Zukunft sich eingehend mit Problemen des Steuerwesens wird beschäftigen müssen. Selbst in denjenigen Ländern, welche sich der grössten Fortschritte rühmen dürfen, kann und wird das Um- und Weiterbilden nicht zum Stillstande kommen. Dafür sorgt schon das Anwachsen des Staatsbedarfes. Wir werden uns weiter in der Richtung wachsender Ausgaben für öffentliche Zwecke bewegen. Es hat nicht den Anschein, als ob die Völker auf das Waffenkleid, das sie zum Schutze ihrer Unabhängigkeit, zur Wahrung ihrer wirklichen oder vermeintlichen Interessen in der Weltpolitik angelegt haben, verzichten wollten. Wir werden auch in der Zukunft steigende Ausgaben für Heer und Flotte zu verzeichnen haben. Aber auch die innere Verwaltung, die schon seit den letzten Jahrzehnten an der Steigerung der Ausgaben relativ in stärkerem Masse beteiligt war als die Land- und Seemacht, wird wachsende Anforderungen an das Budget stellen. Es ist dies so häufig und überzeugend nachgewiesen worden, dass es des Beweises nicht bedarf. Der Schuldendienst wird gleichfalls mit zunehmenden Ziffern zu rechnen haben. Selbst wenn den Staaten kriegerische Ereignisse erspart bleiben und in der Aufnahme von Schulden grössere Zurückhaltung beobachtet wird, werden doch neue Schulden unvermeidlich sein. Wird vollends, wie es den Anschein hat, das da und dort vernachlässigte Tilgen von Schulden wieder energischer in die Hand genommen, so wird auch dies zu einer stärkeren Inanspruchnahme von Steuerleistungen Veranlassung geben. Die Erfahrung hat bisher gezeigt, dass dieses Anwachsen des Staatsbedarfes aus der Vermehrung des Wohlstandes allein bei gleich bleibenden Steuersätzen keine Deckung findet, dass vielmehr ohne Steigerung der Steuersätze und unter Umständen ohne Erweiterung des Steuersystems nicht wird auszukommen sein. Wird nun schon bei jeder Steuererhöhung im staatlichen Finanzwesen eine erneute Prüfung des ganzen Steuersystems oder wenigstens der Steuersätze sich aufdrängen, so wird diese um so notwendiger werden, je mehr auch die Gemeinden und höheren Kommunalkörper, konkurrierend mit dem Staate, steigende Ansprüche an die Steuerkraft ihrer Mitglieder erheben. Ist vollends, wie im Deutschen Reich, noch ein dritter und so ungenügsamer Bewerber um finanzielle Mittel vorhanden, so werden Steuerreformen und Reformbewegungen nicht von der Tagesordnung verschwinden. Es dürfte deshalb angezeigt sein, im Folgenden vom Standpunkte der Wissenschaft aus die Frage zu erörtern, auf welchem Wege und in welcher Richtung sich die Steuerreformen der nächsten Zeit, insbesondere in Deutschland, bewegen werden und sollen. Dabei ist zunächst die Vorfrage zu erledigen, welche Forderungen die Wissenschaft an ein rationelles Steuerwesen stellt und inwieweit das Steuerwesen heute schon diesen Ansprüchen genügt.

Seit den Tagen von Justi und A. Smith hat man in der Finanzwirtschaft sich bemüht, allgemeine Grundsätze aufzustellen, die für die Ausgestaltung des Steuersystems massgebend sein sollten. Heute fordert die Wissenschaft übereinstimmend, 1. dass das Steuersystem so eingerichtet sei, dass es den Bedarf des Staates zu decken und auch dem Anwachsen des Staatsbedarfes zu genügen vermöge, 2. dass keiner, der überhaupt etwas zu leisten in der Lage sei, von den Steuern befreit werde, 3. dass die Steuern möglichst gerecht und gleichmässig auf die Pflichtigen verteilt, 4. dass Erschwerungen und Belästigungen des Wirtschaftslebens nach Tunlichkeit vermieden und 5. Erhebung und Veranlagung zweckentsprechend geordnet werden. Vom Standpunkte der Finanzverwaltung ist der erste Grundsatz der wichtigste. Aber er wird sich nur dann gebieterisch und ohne Rücksicht auf die anderen Grundsätze durchsetzen dürfen und können, wenn ausserordentliche Notlagen den Staat zwingen, jedes Opfer von seinen Untertanen zu fordern, das geeignet ist über Tage des Unglücks hinwegzuhelfen. In normalen Zeiten wird dagegen mehr die Rücksichtnahme auf die anderen Grundsätze den Gang der Steuerreformen bestimmen, und unter diesen hat sich seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts immer mehr die Frage in den Vordergrund geschoben, wie die Besteuerung auszugestalten sei, damit sie gerecht und gleichmässig sei. Da diesem Problem ein eigener Abschnitt in diesem Handbuch gewidmet ist, so darf an dieser Stelle nicht ausführlicher darauf eingegangen werden. Weil aber alle Steuerreform von der Stellung zu diesem Problem bedingt ist, so können wir nicht umhin, unseren Standpunkt in aller Kürze zu präzisieren.

Dass die Frage der gerechten Steuerverteilung in den letzten Jahrzehnten der Angelpunkt der meisten Steuerreformen gewesen ist, hängt in erster Linie mit dem gesteigerten sozialen Empfinden der Gegenwart zusammen. Die Forderung der austeilenden Gerechtigkeit, die bis weit in die Kreise [131] der bürgerlichen Nationalökonomen Verständnis und Vertretung fand, musste am ersten da nach Geltung ringen, wo der Staat mit diesem Problem in Berührung trat. In dem auf dem Individualismus beruhenden privaten Wirtschaftsleben stehen der Verwirklichung der austeilenden Gerechtigkeit unüberwindliche Hindernisse der verschiedensten Art entgegen. Bei den Beziehungen der Einzelnen zum Staate dagegen können die Forderungen gerechter und gleichmässiger Behandlung am ehesten Verwirklichung finden. Wann aber ist die Besteuerung gerecht und gleichmässig? Die Antwort lautete bekanntlich verschieden je nach den herrschenden Anschauungen von den Aufgaben des Staates und der Stellung des Einzelnen zum Staate. Ernsthaft können nur zwei Theorien in Betracht kommen: die eine, welche die Steuer als ein Äquivalent für die dem einzelnen durch den Staat geleisteten Dienste ansieht, die andere, die sie nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen haben will. Die erste beherrschte die liberalistische Periode der Volkswirtschaftslehre. Sie steht im Zusammenhange mit der Lehre von der Beschränkung der Staatstätigkeit und ist auch nur in diesem Zusammenhange halbwegs verständlich. So verlangte Bastiat, ein Anhänger dieser Lehre, in einer Rede in der gesetzgebenden Versammlung von 1849, dass der Staat mit jedem Bürger auf dem Steuerzettel abrechnen und genau ausschlagen solle, wie viel Steuer für die Polizei, wie viel für Rechtspflege, wie viel für diese und jene kriegerische Unternehmung zu entrichten sei – so wie wir heute etwa gesonderte Zettel für Brandversicherung oder Wasserzins oder Kehrichtabfuhr und dergl. erhalten. Allein dieser Gedanke entspringt einer ganz privatwirtschaftlichen Auffassung. Er ist weder im Prinzip berechtigt noch praktisch durchführbar und erscheint als völlig sinnlos, wenn der Aufgabenkreis des Staates einen solchen Umfang erreicht hat wie in der Gegenwart. Solche Kollektivausgaben entziehen sich einer rechnerischen Verteilung auf die einzelnen Bürger, und es ist deshalb auch ein Ding der Unmöglichkeit, die Steuerleistung der einzelnen mit ihrem persönlichen Interesse an den staatlichen Kollektivleistungen in Verhältnis setzen zu wollen. Es ist nicht überflüssig, dies auch heute noch zu betonen. Im Reichstag und bei der Reichsregierung ist der Gedanke, bei der Besteuerung die Bemessung nach den Vorteilen vorzunehmen, wiederholt aufgetaucht und zur praktischen Verwirklichung gebracht worden. Es sei daran erinnert, dass bei Gelegenheit der Flottenvorlage vom Jahre 1900 der Satz ausgesprochen und in der Erhöhung der Verkehrssteuern auch zur Geltung gebracht wurde, dass die Mehrung der Flotte in erster Linie dem Handel und der Industrie zugute käme und deshalb durch Steuern bestritten werden müsse, die an diese Kreise sich hielten. Die Reichszuwachssteuer ist mit der Motivierung begründet worden, dass die Werterhöhungen der Grundstücke in erster Linie dem Aufblühen der deutschen Volkswirtschaft durch die Existenz und die Veranstaltungen des Reiches zu danken sei. Allein in beiden Fällen kann die Begründung nicht als stichhaltig angesehen werden; denn hier wie dort fehlt es an dem Nachweise, dass die im allgemeinen Interesse, ohne Beziehung zu einem bestimmten Personenkreise unternommenen Veranstaltungen des Reiches gerade den Handeltreibenden oder Grundbesitzern allein oder auch nur vorwiegend zu gute gekommen seien. Die Schaffung einer tüchtigen Flotte soll doch der Wahrung des Friedens und der nationalen Unabhängigkeit und der Vertretung aller politischen und wirtschaftlichen Interessen im Auslande dienen; ihr Nutzen wird jedem Reichsdeutschen zugute kommen. Noch bedenklicher ist die Begründung der Reichszuwachssteuer. Hier fehlt es an jedem erkennbaren Zusammenhang zwischen bestimmten Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln und der Grundwertsteigerung. Mit einer Begründung, wie sie der Reichszuwachssteuer gegeben worden ist, kann man jede Sondersteuer auf Erwerbsberufe begründen, die seit der Errichtung des Reiches sich im Aufblühen befinden. Es wird gut sein auf dem betretenen Weg, der zur alten Interessentheorie zurückführen würde, nicht weiter zu schreiten. Man hat diese seinerzeit mit Recht verlassen, weil sie ungerecht und praktisch undurchführbar ist; denn es fehlt an jeder Möglichkeit, dem einzelnen den Wertanteil zuzumessen, den die Befriedigung kollektiver Bedürfnisse für ihn hat, und darnach die Steuern zu bestimmen. Unabsehbare Interessenkämpfe der einzelnen Klassen und Berufsgruppen gegeneinander um die Austeilung der Steuerlast würden die Folge einer erweiterten Anwendung des Interessenprinzipes sein. Man überlasse dieses den Gemeinden oder beschränke seine Anwendung auf diejenigen Fälle, in denen der Zusammenhang zwischen staatlicher Leistung und privatem Interesse ein sinnfälliger und nachweisbarer ist. Es ist möglich, dass [132] der eine von den Institutionen des Staates mehr Vorteil zieht als der andere. Es ist möglich, dass der Ausbau der Flotte die Dividenden der Gesellschaften erhöht, die den Schiffsbau betreiben, dass er den Umsatz der exportierenden Händler und Industriellen erhöht, dass er den Auslandsgeschäften inländischer Kapitalisten und Unternehmer grössere Sicherheit verleiht. Aber abgesehen davon, dass der Staat auch daran durch höhere Erträge der Einkommen-, Vermögens-, Verkehrssteuern usw. teilnimmt, kommt der Aufschwung in Handel und Industrie auch den Arbeitern durch höhere Löhne oder Erweiterung der Arbeitsgelegenheiten, zahlreichen Gewerben durch Erhöhung der Kaufkraft, Zunahme der Konsumtion usw. zugute. Und jedenfalls ist das eine sicher, dass es an jeder Möglichkeit fehlt, das Mehr an Vorteilen, das der eine etwa gegenüber dem anderen hat, einwandfrei festzustellen, so dass es zur Grundlage der Steuerausteilung gemacht werden könnte. Es bleibt nichts anderes übrig, als die Steuer als eine Gegenleistung für die Erfüllung der allgemeinen Staatsaufgaben anzusehen und die Verpflichtung zu ihrer Entrichtung allen denen aufzulegen, die der Staatsleistungen teilhaftig sind. Und der Massstab der Steuerausteilung kann dann nur in der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen gefunden werden.

Allein mit dem Bekenntnis zu dieser Auffassung sind die Schwierigkeiten keineswegs erledigt. Im Gegenteil; sie beginnen erst eigentlich damit. Denn sofort wird sich die Frage erheben, welche Steuer oder welches Steuersystem geeignet sei, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu verwirklichen.

Man hat sich in der Wissenschaft zunächst darüber geeinigt, dass die Grösse des Einkommens der beste Gradmesser der Leistungsfähigkeit sei. Wobei unter Einkommen die Summe der Reinerträge zu verstehen ist, über die der einzelne verfügen kann, ohne den Vermögensstamm angreifen zu müssen. Allein man konnte sich doch auch nicht der Tatsache verschliessen, dass zwei Personen mit gleich grossem Einkommen verschieden leistungsfähig sind je nach der Art ihres Einkommens, d. h. je nach der Quelle, aus der das Einkommen fliesst. Und es wird nicht bestritten werden können, dass das aus Besitzquellen fliessende, mit Hilfe von Immobiliar- oder Mobiliarwerten erzielte Einkommen im allgemeinen gesicherter ist als das reine Arbeitseinkommen. Denn das Einkommen aus Grund-, Haus- und Kapitalbesitz, einschliesslich des in Gewerbe und Hardel investierten Vermögens, entspringt aus dauernden Quellen, gibt seinem Besitzer auch nach Einstellung der Arbeit und in vielen Fällen ohne irgend eine Arbeitsleistung ein Renteneinkommen, überdauert zumeist die Person des Besitzers und sichert die Zukunft seiner Rechtsnachfolger. Das nicht fundierte Einkommen dagegen steht und fällt mit der Person des Erwerbers, ist schwankend und versiegt mit Alter und Krankheit, und die Zukunft der Familie kann nur dadurch mehr oder weniger gesichert werden, dass es dem Erwerber gelingt, aus seinem Einkommen Rücklagen zu machen. Aber die eingehende Erörterung des Problems der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit hat sich auch mit der höheren Belastung des fundierten Einkommens nicht zufrieden gegeben: nicht nur die Grösse und Art des Einkommens soll der Steuergesetzgeber beim Ausmass der Steuer in Rechnung setzen, sondern er soll auch die individuelle Leistungsfähigkeit, die von der durchschnittlichen, durch eine bestimmte Einkommensgrösse und -art verbürgten erheblich abweichen kann, in Rücksicht ziehen. Es ist nicht zu bestreiten, dass von zwei Personen mit gleich grossem und gleichartigem Einkommen, es dem einen, der mehr Kinder aufzuziehen oder mehr Angehörige zu unterhalten hat wie der andere, oder der Krankheiten und sonstiges Missgeschick im Hause hat, von dem der andere verschont blieb, viel schwerer fallen wird, die gleiche Steuersumme zu entrichten wie dem andern. Die neuere Gesetzgebung hat diesem Umstande auch Rechnung zu tragen gesucht. Allein anschliessend an solche Erwägungen haben sich in der letzten Zeit Stimmen erhoben, die zwar grundsätzlich für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eintreten, aber diese nicht nach der Grösse des Einkommens sondern nach dem „Überfluss" oder nach der „Ersparungsmöglichkeit“ wollen bemessen wissen. Es solle, sagt man, nicht nur die Grösse des Einkommens sondern auch der individuelle Verbrauch berücksichtigt werden. Die Steuer könne nur dann als der Leistungsfähigkeit entsprechend angesehen werden, wenn sie für jeden das gleiche Opfer bedeutet. Nun könne aber bei gleichen Einkommensgrössen eine gleich hohe Steuer für zwei Steuersubjekte ganz verschieden schwer treffen, wenn der eine der beiden Steuerpflichtigen gezwungen sei, jährlich grössere Ausgaben zu machen, z. B. weil die Zahl seiner Familienangehörigen [133] grösser ist. Der Steuerpflichtige mit grösserer Familie müsste dann seinen Verbrauch erheblich einschränken, um die Steuer entrichten zu können, während der andere, der keine Familie hat, noch sog. Anstands- oder Luxusbedürfnisse befriedigen könne. Positiv ausgedrückt wird also hier eine Besteuerung des sog. freien Einkommens verlangt, d. h. desjenigen Einkommens, das nach Abzug des notwendigen Unterhaltes des Steuerpflichtigen und seiner von ihm zu unterhaltenden Familienangehörigen übrig bleibt.

Die Idee knüpft an ältere Lehren an; man hat auch die Steuerprogression mit der Opfertheorie zu begründen gesucht. Der Gedanke ist auch an sich nicht unrichtig; schon bei den alten Junggesellensteuern und bei der erst kürzlich in Reuss zur Einführung gebrachten spielt die Erwägung herein, dass der Junggeselle, der sich von den Lasten eines Familienhaushaltes frei weiss, in der Lage sei, dem Staate mehr Steuern zu bezahlen als der Familienvater. Aber an der praktischen Durchführung des Gedankens wird man füglich zweifeln dürfen. Natürlich würde eine nach dem „Überflusse“ bemessene Steuer genaue Massangaben über den Verbrauch voraussetzen. Ist schon die Deklarierung des Einkommens mit vielen Unzuträglichkeiten und Belästigungen des Steuerzahlers verbunden, so würden diese bei Massangaben über den Verbrauch sich ins Ungeheuerliche vermehren. Ohne eingehende Kontrollen wären solche Angaben unbrauchbar; aber solche Kontrollen würden einen kaum zu ertragenden Eingriff in die rein private Sphäre des Haushaltes bedeuten. Wollte man sich aber mit einer amtlichen Feststellung des durchschnittlichen „notwendigen Verbrauchs“ unter Berücksichtigung der Zahl der Familienangehörigen begnügen, so wäre bei der grossen Dehnbarkeit des Begriffes „notwendiger Verbrauch“ bei dem verschiedenen Verhalten der Einzelnen selbst gegenüber den elementaren Bedürfnissen des Essens, Trinkens und Wohnens, bei der erheblichen örtlichen Verschiedenheit der Preise usw. zu befürchten, dass die Ungleichheiten in der Besteuerung eher zu- als abnehmen würden. Die positive Grösse des Einkommens bezw. des Vermögens wird nach wie vor ein besserer, weil objektiv feststellbarer Massstab der Besteuerung sein als die unsichere Grösse des Verbrauches. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Grösse der Verbrauchsbelastung, von der gleich die Rede sein wird, sich in einem rationellen Verhältnis zur Grösse des Einkommens, bezw. zur Gesamtbesteuerung zu bewegen habe.

Wir sind also der Meinung, dass es wie bisher so auch in Zukunft Aufgabe und Ziel der Steuerpolitik sein müsse, die Besteuerung der Leistungsfähigkeit möglichst anzupassen und dass dies am besten durch Steuern geschehe, die im Prinzipe nach der Grösse und Art des Einkommens bemessen sind. Wie diese Steuern im einzelnen beschaffen und geartet sein sollen und welche Ausnahmen von diesem Prinzip gemacht werden mögen, davon wird nachher noch die Rede sein. Nun lehrt aber die Erfahrung, dass kein Staat der Welt, welche Wirtschaftsstufe und Verfassungsform immer er aufweisen mag, seinen Staatsbedarf allein durch Steuern von Einkommen und Besitz zu decken vermag und kein Theoretiker und keine politische Partei, mit Ausnahme der Sozialdemokratie, hat die Verbrauchsbesteuerung grundsätzlich verworfen. Man kann sich doch auch der Tatsache nicht verschliessen, dass Verbrauchssteuern die mildeste Form der Besteuerung der unteren Klassen sind, in der sie in kleinsten Beträgen der auch ihnen obliegenden Pflicht zu Leistungen an den Staat genügen können. Der oft gehörte Einwand, dass durch diese Besteuerung die unteren Klassen im Unklaren gelassen würden über die Grösse ihrer Leistungen, ist heute angesichts der Aufklärungsarbeit ihrer Vertreter und der sozialpolitischen Steuertheoretiker hinfällig. Dass, wie wir wissen, jedesmal, wenn eine Verbrauchssteuer in Vorschlag gebracht wird, heftige Kämpfe entbrennen, ist richtig; aber bei diesen handelt es sich doch mehr um die Frage der Ausdehnung der bereits bestehenden Verbrauchssteuern, um die Steuerform, um die Höhe der Steuer, um das Belastungsverhältnis, um Rücksichtnahmen auf die Produzenten und Händler als um eine völlige Negation der Berechtigung der Verbrauchsbesteuerung an sich. Es darf dabei auch nicht verkannt werden, dass die Entwickelung, die das Steuerwesen der Kulturstaaten genommen hat, viele Missstände im Verbrauchssteuerwesen beseitigt oder gemildert hat und dass die Hoffnung als nicht unbegründet erscheint, dass die Zukunft weitere Verbesserungen bringen werde. Kein Parlament und keine Regierung würde heute mehr wagen, inländische Steuern auf Brot und Fleisch zu legen; wo die Kommunen im deutschen Reich ein solches Recht bis in die neueste Zeit besassen, hat die Reichsgesetzgebung es beseitigt. Sicher bestehen auch heute noch erhebliche Mängel im Verbrauchssteuerwesen. [134] Vom Standpunkte der Steuerpolitik aus sind auch Lebensmittelzölle zu beanstanden; denn diese wirken nicht nur durch die Verteuerung der aus dem Auslande eingeführten Mengen sondern noch mehr durch Erhöhung der Preise der gleichartigen Inlandsprodukte und sie belasten die grosse Volksmasse empfindlich. Bei Errichtung von Schutzzöllen auf Lebensmitteln und namentlich bei starker Erhöhung von solchen werden deshalb die gesetzgebenden Faktoren immer die Frage auf das ernsthafteste zu prüfen haben, ob der Vorteil, den der Schutzzoll einer Klasse von Produzenten gewährt, gross genug ist, um die Lasten zu rechtfertigen, die damit den Konsumenten, und zwar den unbemittelten in weit höherem Masse als den bemittelten, zugemutet werden. Der Trost der Abwälzung, der den betroffenen Kreisen gegeben zu werden pflegt, ist, wie nachher noch zu zeigen sein wird, wenig überzeugend. Abgesehen von den Getreide- und Viehzöllen ist als kopfsteuerartige Abgabe im deutschen Reiche wie in anderen Staaten nur mehr die Salzsteuer vorhanden. Es ist zuzugeben, dass ihre Beseitigung erwünscht wäre. Immerhin darf gegenüber den, namentlich in früherer Zeit, oft mit Leidenschaft und nicht ohne Übertreibung geführten Kämpfen hervorgehoben werden, dass sie heute ungleich milder wie früher und der Wert des Steuergegenstandes an sich ein minimaler ist. Zudem lassen die bei der jüngsten Aufhebung der gemeindlichen Aufschläge auf Getreide und Fleisch gemachten Erfahrungen die Befürchtung begründet erscheinen, ob ihre Aufhebung wirklich den Konsumenten im vollen Umfange zugute käme. Im übrigen erstreckt sich die inländische Verbrauchsbesteuerung doch zum weitaus grössten Teile auf Genuss- und Reizmittel, deren der Einzelne ohne Schaden, ja oft zum Nutzen seiner Gesundheit entraten kann. Dass trotz starker und nicht selten steigender Besteuerung der Konsum von Alkohol, Tabak, Zucker usw. stark zunimmt, ist doch ein Zeichen einer bis in die unteren Klassen herabsteigenden Erhöhung der Lebenshaltung. Bemerkenswert sind die Versuche, den Gedanken der Steuerprogression, der im direkten Steuerwesen immer mehr zum Siege gelangt, auch bei den Verbrauchssteuern durch Anpassung der Sätze an die Qualität der besteuerten Objekte zu verwirklichen. Die Tabakwert- und die Zigarettensteuer des Reichs sind dafür ein Beweis. Jedenfalls zeigt die Entwickelung des Verbrauchssteuerwesens in den letzten Jahrzehnten, in England allerdings mehr als bei uns, dass man auch hier sozialen Erwägungen zugänglich ist und den Einwendungen gegen ihre Mängel gerecht zu werden sucht. Die Theorie hat dieser Auffassung schon seit langem vorgearbeitet. Sie hat sich die Unentbehrlichkeit der Verbrauchssteuern nicht verhehlt, aber ebensowenig deren bedenkliche Wirkungen auf eine relative Überlastung der unteren Klassen. Sie hat deshalb stets auf eine Ausgleichung durch passende direkte Steuern auf Erwerb, Einkommen und Vermögen, in erster Linie durch Einkommen- und Vermögenssteuern, dann aber auch durch Erbschafts-, Besitzwechsel-, Wertzuwachs-, Börsensteuern u. dergl. und vor allem durch weitgehende Steuerbefreiungen und -erleichterungen der unteren Klassen bei den Einkommens- und Erwerbssteuern hingewiesen. Und die Gesetzgebung hat sich in England, Deutschland, selbst in Frankreich diesem Standpunkte doch mehr und mehr genähert. Auch darf nicht übersehen werden, dass die Verbrauchssteuern doch auch die vermöglicheren Klassen neben den Einkommens- und Besitzsteuern mit belasten und zwar um so mehr, je mehr sie sich auf Genuss- und Reizmittel beschränken und nach Qualitätsunterschieden abgestuft sind. Wie gross der Anteil der einen und der anderen Schicht an der Gesamtbelastung ist, lässt sich freilich nicht genau nachweisen. Wittschewsky nimmt an, dass im deutschen Reich von den Zöllen auf die Unterschicht mit einem Einkommen bis 1500 M. 60,8%, auf die Oberschicht 39,2%, oder 6,6 und 12.8 M. pro Kopf, von den Verbrauchssteuern 64,9 bezw. 35,1%, und in Kopfbeträgen 9 und 14,6 M. entfallen. Aber abgesehen von manchen anderen Bedenken, die gegen die Berechnung dieser Zahlen erhoben werden können, ist vor allem auf das eine hinzuweisen, dass, wie Wittschewsky selbst bemerkt, die Hauptmasse auch der Verbraucher der von ihm sogenannten Oberschicht wegen ihres geringen Einkommens der Unterschicht sehr nahe steht. Es kann deshalb die von ihm vorgenommene Austeilung nicht als überzeugend angesehen werden.

Für das deutsche Reich darf bei Beurteilung der Belastungsverhältnisse natürlich nicht ausser acht gelassen werden, dass Reich und Bundesstaaten, einschliesslich der Selbstverwaltungskörper, wie in bezug auf Politik und Kultur, so auch in finanzieller Beziehung eine Einheit bilden. Es ist nicht angängig, die Steuern des Reiches für sich zu betrachten und zu beurteilen, man wird [135] sie nur im Zusammenhange des grossen Ganzen auf ihre Wirkung prüfen dürfen. Eine Steuer des Reiches, die für sich allein betrachtet die Kritik zu berechtigtem Widerstande herausfordert, kann gleichwohl zulässig sein als Glied der Gesamtbesteuerung, wenn ihre Wirkungen durch Steuern der Einzelstaaten ausgeglichen oder abgeschwächt werden. Das führt überhaupt auf die Frage, wie die dermalige Belastung im deutschen Reiche, Reich und Bundesstaaten zusammengenommen, beschaffen ist, wie die Last sich auf die einzelnen Bevölkerungsklassen verteilt, inwieweit sie der Gerechtigkeit entspricht. Wäre eine solche Feststellung möglich, so würde sie die wertvollsten Direktiven für die Zukunft geben.

Wir sind nicht imstande, diese Frage in dem engen Rahmen, der dieser Abhandlung gesteckt ist, auch nur einigermassen erschöpfend zu behandeln. Auch sind wir der Meinung, dass es überhaupt nicht möglich ist, die Frage einwandfrei, und noch weniger, sie in einer alle Fragesteller befriedigenden Weise zu beantworten. Wie hoch die Belastungsverhältnisse im deutschen Reiche sind, wie sich die Belastung zum Einkommen und, was wieder verschieden ist, zur individuellen Leistungsfähigkeit der Steuerzahler verhält, diese Frage ist zwar in Deutschland gerade in der letzten Zeit aus Anlass der Reichs- und Landessteuerreformen viel erörtert worden, aber von einer Übereinstimmung sind wir weit entfernt. Zwar die Feststellung der auf den Kopf der Bevölkerung entfallenden Beträge der Steuern insgesamt und im einzelnen ist nicht allzu schwierig; wir wissen z. B. aus den Abhandlungen von O. Schwarz, dass im Jahre 1907/08 die Nettozölle und Steuern in Grossbritannien 57,64, in Frankreich 61,38, in Deutschland 33,54, dass die Vermögens- und Erbschaftssteuern in Grossbritannien 8,65, in Frankreich 4,90, in Deutschland 1,96 M. pro Kopf erbrachten usw. Damit ist jedoch nicht viel gewonnen. Das, was man vom steuerpolitischen Standpunkt aus wissen möchte, wird mit solchen Zahlenangaben nicht aufgeklärt. Denn solche Durchschnittsberechnungen sind, die Richtigkeit der Urzahlen vorausgesetzt, nicht genau vergleichbar, weil für die Belastungsfrage die verschiedene Zusammensetzung der Bevölkerung nach Lebensalter, Beruf und Erwerb, die Höhe des Volkseinkommens und Volksvermögens und deren Verteilung in der Bevölkerung massgebend sind und wir in dieser Beziehung vor unbekannten oder nicht hinreichend sicher bekannten Grössen stehen. Für das einzelne Land aber kommt es noch darauf an, wie die Steuerlast sich auf die Einzelnen verteilt. Und darüber geben die angestellten Schätzungen und Berechnungen keinen einwandfreien Aufschluss. Entweder stützen sie sich auf ein allzu beschränktes, noch dazu oft willkürlich gewähltes Material, aus dem dann in unzulässiger Weise verallgemeinert wird; oder sie müssen wegen der politischen Zwecke, denen sie dienen sollen, von vorneherein dem Zweifel unterstellt werden. Die Frage der wirklichen individuellen Belastung ist eine der schwierigsten des ganzen Steuerwesens. Das gilt ganz besonders von den Steuern vom Verbrauch, der so wenig einer Schablone sich fügt und so sehr von individuellen Verursachungen bedingt ist. Und wie wenig wissen wir von den Wirkungen gewollter und nicht gewollter Überwälzungen im Steuerwesen. Alle Berechnungen gehen von der Annahme aus, dass die Steuern genau so treffen, wie sie gesetzlich gewollt sind, eine Annahme, für deren Richtigkeit es keine Bürgschaft gibt. Nur jahrelang fortgesetzte, umfangreiche und vorurteilslose Erhebungen könnten einiges Licht in das Dunkel bringen. Zur Zeit ist eine klare Einsicht in diese Verhältnisse nicht möglich und es ist deshalb begreiflich, dass die steuerliche Überlastung der unteren Klassen von den einen ebenso bestimmt behauptet, wie von den anderen geleugnet wird. A. Wagner macht mit Recht darauf aufmerksam, dass die Statistik mit ihren bisherigen Methoden und Hilfsmitteln nicht in der Lage ist, solche Fragen genau zu lösen, auch in Deutschland nicht, wo man sich mehr als sonstwo mit ihnen beschäftigt und in den Denkschriftenbänden zur Reichsfinanzreform ein reiches Material zusammengetragen hat.

Nachdem so der Schwierigkeiten gedacht ist, die einer Feststellung der Belastungsverhältnisse entgegentreten, soll doch nicht versäumt werden, in aller Kürze das aufzuzeichnen, was Untersuchungen über das Problem bisher für Deutschland ergeben haben, wobei wir uns freilich nur an einige Schriftsteller halten. Gerloff hat an der Hand von Haushaltungsbudgets berechnet, dass die Belastung durch Zölle und die anderen Verbrauchsabgaben bei Einkommen unter 800 M. 4,4–6,3 Proz., bei solchen von 800–1200 M. 4,4–6,3 Proz., bei solchen von 1200–2000 M. 3,6–5,1, bei Einkommen von 2000–4000 M. 2,2–3,2, bei solchen von 4000–6000 M. 1,3–1,9, bei solchen von 10 000–50 000 1,0–1,5, bei grösseren Einkommen nur mehr 1 Proz. betragen. Umgekehrt ist [136] es bei den Einkommensteuern (staatlichen, kommunalen und kirchlichen). Hier findet Gerloff bei Einkommen von unter 800 M. eine Belastung mit 1,2 Proz., die dann in den eben erwähnten Stufen bis 10 000 M. Einkommen auf 1,8, 3,8, 4,8, 6,8 und 8,5 Proz. steigt, bei 30 000 M. 9, bei 50 000 11, bei 100 000 11,5, bei 200 000 12,0 Proz. erreicht. Die Gesamtbelastung mit den erwähnten Abgaben würde demnach für die bezeichneten Einkommensgrössen mit 5,6 Proz. beginnen und bei 200 000 M. Einkommen 13 Proz. erreichen. Werden noch die Vermögenssteuern hinzugenommen, so ergibt sich eine Skala, die mit 6 Proz. bei 1000 M. Einkommen beginnt und bei 200 000 M. 14,5 Proz. ausmacht. Darnach ergäbe sich also eine stark umgekehrt progressive Belastung der untern und mittleren Klassen durch Zölle und inländische Verbrauchssteuern, aber freilich eine noch stärkere progressive Besteuerung der wohlhabenden und reichen Klassen durch die Einkommen- und Vermögenssteuern. Und das Bild würde noch günstiger im Sinne einer progressiven Gesamtbelastung ausfallen, wenn auch die Erbschafts- und die Verkehrssteuern in die Berechnung einbezogen würden. Zu einer optimistischen Auffassung dürfen aber diese Zahlen, wie A. Wagner betont, keineswegs verleiten. Denn es drängt sich sofort die Frage auf, ob die Steuer wirklich gerecht, der Leistungsfähigkeit angepasst ist, ob sie wirklich ein gleiches Opfer bedeutet, wenn sie bei Einkommen von 1000 M. 6,0–8,0 und bei solchen von 100 000 M. 14,5 Proz. beträgt. Im ersten Falle wird den Einkommen um 60–80 M. gekürzt, im zweiten Falle um 14 500 M., aber im ersten Falle bleiben dann nur mehr 940–920 M. übrig, im zweiten bleiben immer noch 85 500M. Den Arbeiter mit 1000 M. Einkommen wird der Abzug von 60–80 M. schwerer treffen, als den Millionär mit 100 000 M. Rente der Abzug von 14 500 M. Der erstere muss sich in der Befriedigung eines notwendigen Bedürfnisses einschränken, der zweite braucht nur auf einen Luxuskonsum zu verzichten. A. Wagner stellt an der Hand solcher Erwägungen, mit denen eben die Notwendigkeit einer progressiven Besteuerung begründet wird, und unter Zugrundelegung der Gerloff’schen Zahlen Berechnungen darüber an, wie sich die Belastung der einzelnen Einkommensklassen zu einander verhält, wenn die Steuerquoten nur auf das das Existenzminimum (von 800 M.) überragende Einkommen angerechnet werden. Dabei ergibt sich natürlich, dass bei einem Einkommen von 1000 M. und bei einem „freien“ Einkommen von 200 (1000–800) M. die Steuer 30–40 bei einem Einkommen von 100 000 M. dagegen und einem freien Einkommen von 99 200M. nur 14,1 Proz. beansprucht. Solche Berechnungen haben aber wie Wagner selbst am wenigsten verkennt, nur einen bedingten Wert. Immerhin lassen sie das Schlussurteil gerechtfertigt erscheinen, das A. Wagner darüber mit folgenden Worten abgibt: „Die Mittelschicht, namentlich von der mittleren Stufe, 10 000 M. Gesamteinkommen, an, und vollends die Oberschicht und natürlich am meisten deren beide oberen Stufen können bei den hier angenommenen Zahlenverhältnissen ihre ganze Lebensführung weit bequemer, schliesslich schon völlig reichlich gestalten, in der Sphäre der materiellen Bedürfnisse und auch in derjenigen der geistigen, ästhetischen, der Kulturbedürfnisse, und doch bleibt ihnen dabei noch so viel mehr freies Einkommen als der Unterschicht und zumal den beiden untersten Stufen, um ihre Lebenshaltung immer noch reichlicher zu gestalten, auch immer noch mehr und leichter aus dem verbleibenden freien Einkommen Kapitalisierungen vornehmen zu können und von der Besteuerung viel weniger hoch getroffen, dem Gefühl des Druckes und des Opfers, welches die Besteuerung verursacht, viel weniger schwer unterworfen zu werden“.

III.[Bearbeiten]

Indem wir uns schliesslich der Frage zuwenden, in welcher Richtung sich die Steuerreformen der nächsten Zeit in Deutschland zu bewegen haben werden, glauben wir in den Erörterungen des zweiten Abschnittes die Grundlagen zu deren Beantwortung gefunden zu haben. Ist es richtig, dass die Gesamtbesteuerung (Reich, Einzelstaat und Kommunalkörper zusammengenommen) heute noch, trotz mancher Fortschritte, die Leistungsfähigkeit der oberen und der unteren Mittelklassen erheblich stärker in Anspruch nimmt als die des höheren Mittelstandes und der oberen Klassen und dass die individuelle Leistungsfähigkeit noch zu wenig Beachtung findet, dann wird es Aufgabe der künftigen Steuerpolitik sein: die Personalsteuern, also in erster Linie die allgemeine Einkommensteuer, weiter auszubauen, die Leistungsfähigkeit mindernde Verhältnisse stärker zu berücksichtigen, das Existenzminimum zu erhöhen, die unteren Steuerklassen zu entlasten, die [137] Progression weiter zu führen, die Besitzsteuern, Vermögens- und Erbschaftssteuern zu grösserer Ergiebigkeit zu bringen. Auch das Gebiet der Verkehrssteuern lässt sich noch erweitern. Sollte eine weitere Anspannung der Verbrauchsbesteuerung sich als unabwendbar erweisen, so könnte sie sich nur auf eigentliche Genuss- und Reizmittel beziehen oder Gegenstände eines aus dem freien Einkommen zu bestreitenden Aufwandes ergreifen, wobei nach Möglichkeit auch hier durch Abstufung der Steuersätze nach der Qualität der mutmasslichen Leistungsfähigkeit der Verbraucher Rechnung zu tragen wäre.

Der umstrittenste Punkt der Reichsfinanzreform von 1909 war die Frage der Ausgestaltung der Reichserbschaftssteuer, insbesondere der Erstreckung der Steuer auf Ehegatten und Abkömmlinge. Es ist nur aus Gründen, die steuerpolitischen Erwägungen gänzlich ferne stehen, zu erklären, dass sich hiergegen in den Debatten des Reichstages eine so heftige Opposition erhob und dass die Tatsache bei der Mehrheit der Volksvertretung unbeachtet blieb, dass derjenige, der ein Vermögen erbt, im Daseinskämpfe ganz anders dasteht als derjenige, dem nichts hinterlassen wurde. Dass es sich dabei um eine mühelose, nicht selbsterworbene Bereicherung handelt, hätte doch auch bei Beurteilung der Besteuerung der Abkömmlinge und teilweise auch der Ehegatten Berücksichtigung finden sollen. Zudem sollten ja nach dem Entwurf der Regierung Erbportionen bis zu einer gewissen Höhe von der Steuer befreit bleiben. Die gegen die Besteuerung der Abkömmlinge und Ehegatten entfesselte Agitation, die Denunzierung derselben als „Witwen- und Waisenbesteuerung“ als „Totengräberin des deutschen Familiensinnes“ haben keine Beweiskraft gegenüber der Tatsache, dass sie nicht nur England, Frankreich, Österreich und die meisten anderen europäischen Staaten, sondern auch Elsass-Lothringen, Hamburg, Bremen und Lübeck seit längerer Zeit betätigen. Jetzt ist die Besteuerung der Abkömmlinge und teilweise auch der Ehegatten für die aus Erbschaften stammende Bereicherung auf dem Umwege des neuen Besitzsteuergesetzes doch zur Verwirklichung gelangt (s. darüber 39. Abschnitt.)

Bei Gelegenheit der Reichsfinanzreform von 1909 und auch früher schon ist von verschiedenen Seiten, namentlich von der Sozialdemokratie und den linksstehenden Parteien, die Forderung vertreten worden, den Bedarf des Reiches zum Teil durch eine Reichseinkommen- oder Reichsvermögenssteuer zu decken. Die Reichsregierung hat sich aber solchen Plänen gegenüber bis zu diesem Jahre (1913) ablehnend verhalten. An sich haben Reichseinkommen- oder Vermögenssteuern sicher vor den Verbrauchssteuern manches voraus: sie sind vor allem in ihren Erträgnissen weit weniger von Zufällen abhängig als diese, sie können mit sicherem Erfolge erhöht und viel besser nach der Leistungsfähigkeit verteilt werden. Das Recht des Reiches, sich ihrer zu bemächtigen, kann ebensowenig bestritten werden wie ihre technische Durchführbarkeit. Gleichwohl wird man es billigen müssen, wenn das Reich bisher gezögert hat, sie für sich in Anspruch zu nehmen. Die von übereifrigen Anhängern der Reichseinkommensteuer vertretene Idee, diese an Stelle der einzelstaatlichen Einkommensteuern treten zu lassen und die Einzelstaaten auf Zuschläge anzuweisen, würde diese, wie Laband sagt, finanziell auf die Stufe von Provinzial- und Kommunalverbänden herabdrücken. Auch würde die Aufstellung eines Tarifs, der zugleich den Bedürfnissen der Einzelstaaten gerecht werden müsste, wegen der verschiedenen Wohlstandsverhältnisse, der verschiedenen Höhe des Bedarfs, der Verschiedenheit der staatlichen und kommunalen Steuersysteme in den Einzelstaaten auf unüberwindliche Hindernisse stossen. Reichseinkommen- oder Vermögenssteuer könnten nur als selbständige Steuern neben den Landessteuern mit eigenem Tarif, eigener Veranlagung usw. zur Einführung kommen. Dass auch in diesem Falle schwere Bedenken bestehen, ist von Laband, G. v. Mayr, Köppe u. a. eingehend begründet worden. Nun haben aber die neuerlichen grossen Rüstungsausgaben, deren Notwendigkeit von der Volksvertretung anerkannt wurde, doch dazu geführt, in dem Wehrbeitrag und der Besitzsteuer Vermögen und Einkommen zugunsten des Reiches unmittelbar zur Tragung der Lasten heranzuziehen. Da aber die Reichssteuergesetze vom 3. Juli 1913 an anderer Stelle gesondert dargestellt und in ihren Wirkungen beurteilt werden sollen, so begnügen wir uns hier damit, diese Tatsache festzustellen.

Dass die einmal bestehenden Verbrauchs- und Aufwandsteuern, auch wenn sie prinzipiell so anfechtbar sind wie die Salz- oder die Zündholzsteuer, beibehalten werden, dürfte sich als Gebot [138] der Klugheit empfehlen. Denn die Befürchtung ist begründet, dass bei deren Aufhebung die Preise der belasteten Waren nicht oder wenigstens nicht um den vollen Steuerbetrag herabgehen würden, da es den Produzenten und Händlern nicht allzu schwer fallen dürfte, durch Verabredungen die dem Publikum vertraut gewordenen Preise aufrecht zu erhalten. Aus dem gleichen Grunde ist auch der Ermässigung der Zuckersteuer, die der Reichstag für das Jahr 1909 beschlossen hatte, aber wegen des gesteigerten Finanzbedarfes wieder aufgeben musste, zu widerraten. Dass Bier und Branntwein relativ hoch belastet sind, während der Wein, abgesehen vom Schaumwein, unbelastet geblieben, ist schwer zu rechtfertigen, auch wenn man die wirtschaftlichen Gründe würdigt, mit denen diese Steuerfreiheit begründet worden ist. Bedauerlich ist, dass das Reich sich das Tabakmonopol entgehen liess und auch die Fabrikatbesteuerung nicht zu erreichen war. Auch das Spiritusmonopol, wie die Reichsregierung es plante, hätte den Vorzug vor der ziemlich komplizierten und dem fiskalischen Interesse weit weniger zuträglichen Steuerumgestaltung im Jahre 1909 verdient. Überhaupt stehen dem fiskalischen Monopol in allen den Fällen, in denen der Privatbetrieb bereits einen monopolistischen Charakter angenommen hat, z. B. im Petroleumhandel, weit weniger Bedenken entgegen, als ihm gemeiniglich nachgesagt zu werden pflegen. Es ist zu verwundern, dass das Publikum sich die hohen Preise eines Privatmonopols gefallen lässt, aber Einspruch erhebt, wenn die hierdurch erzielten Gewinne der Allgemeinheit zugute gebracht werden sollen.

In den Einzelstaaten werden sich die Reformen in der bisherigen Richtung weiter zu bewegen haben: Einkommen- und Vermögenssteuer oder anstelle der letzteren zweckmässig umgestaltete Ertragsteuern werden das Rückgrat des einzelstaatlichen Steuerhaushaltes zu bilden haben. Dabei kann das Ziel nur dahin gehen, diese Steuern, namentlich die Einkommensteuer, immer mehr der individuellen Leistungsfähigkeit anzupassen. In dieser Beziehung ist Deutschland (und Österreich) bereits heute den anderen Kulturstaaten voraus, was die Progression der Steuer betrifft; ebenso in bezug auf Abzug der Produktionskosten und auf Berücksichtigung besonderer, die Leistungsfähigkeit mindernder Umstände. Während die italienische Einkommensteuer nur den Unterschied von fundiertem und nicht fundiertem Einkommen berücksichtigt, sonst aber alle Einkommensgrössen mit einem proportionalen Steuersätze trifft, während England in seiner Income tax nur wenige progressive Stufen bis 700 Pf. St., während Frankreich in seinen Ertragssteuern in der Hauptsache nur proportionale Sätze kennt, beginnen die deutschen Einkommensteuern vielfach mit etwa ½ Prozent und lassen den Steuersatz z. B. in Preussen bis 4 Proz. bei 100 000 M., in Sachsen bis 5 Proz. bei dergleichen Summe, in Bayern bis 5 Proz. bei 300 000 M., in Württemberg bis 5 Proz. bei 200 000 M., in Lübeck bis 6 Proz. bei 100 000 M. Einkommen ansteigen. Gleichwohl sind auch die deutschen Einkommensteuern noch in vielen Einzelheiten verbesserungsfähig und -bedürftig. Zumeist beginnt die Steuerpflicht noch bei sehr kleinen Einkommen. Sachsen-Weimar kennt überhaupt keine untere Grenze; Sondershausen, Lippe beginnen die Besteuerung mit 300, Bayern mit 600, bezw. 300, Württemberg mit 500 M.; in Sachsen ist die unterste Grenze erst jüngst von 300 auf 400 M. heraufgesetzt worden; Preussen und eine Anzahl anderer Staaten (Baden, Hamburg, Braunschweig) lassen Einkommen bis 900 M. von der Steuer frei. Auch die Progression ist im ganzen doch recht unzureichend durchgeführt und de facto mehr eine Degression für die unteren Klassen. Die wenigen Beispiele, die vorhin angeführt wurden, zeigen, dass die Progression verhältnismässig rasch endet. Noch dazu wird diese vielfach dadurch abgeschwächt, dass für die grösseren Einkommen weitgegriffene Klassen mit demselben Steuersätze (nämlich mit dem Prozentbetrage der Anfangssumme der betreffenden Klasse) gebildet sind, so dass Summen im Unterschiede von 10 000 M. und mehr die gleiche Steuer zu bezahlen haben, während in den unteren und mittleren Klassen die Steuer dem Einkommen viel genauer folgt. Auch die die Leistungsfähigkeit mindernden Umstände sollten, zumal in den unteren Klassen, noch ausgiebiger berücksichtigt werden als bisher. Es ist ungerecht, dass z. B. in Preussen der Familienvater mit Frau und Kind bei einem Einkommen bis 6500 M. die gleiche Steuer zu entrichten hat wie der Unverheiratete. Die Ermässigung selbst um 3 Steuerstufen beim Vorhandensein von 5 oder 6 Kindern (innerhalb des eben bezeichneten Einkommensbetrages) bildet kein ausreichendes Äquivalent gegenüber der weit höheren Leistungsfähigkeit der Kinderlosen und Unverheirateten. Die. Ermässigung macht bei 6 Kindern und 6500 M. Einkommen ganze 72 M. aus. Die Frage ist erwägenswert, ob nicht der Unverheiratete einer seiner [139] höheren Leistungsfähigkeit, d. h. seinem grösseren freien Einkommen entsprechenden Zusatzsteuer zu unterwerfen sei.

Auch die Vermögenssteuer wird bei steigendem Bedarf der Einzelstaaten in höherem Masse als bisher in Anspruch zu nehmen sein. Zwar rechtfertigen sich bei einer nominellen und die Einkommensteuer nur ergänzenden Vermögenssteuer mässige Sätze; aber die niedrigen Sätze der preussischen Vermögenssteuer erklären sich doch nur aus der begreiflichen Tatsache, dass man bei ihrer Einführung so vorsichtig und schonend wie möglich vorgehen wollte. Es liesse sich aber, solange die Einkommensteuer sich in mässigen Sätzen und schwacher Progression bewegt, eine stärkere Anspannung der Vermögenssteuer wohl verteidigen. Auch ein progressiver Steuerfuss wäre zu rechtfertigen. Gewiss soll in der nominellen Vermögenssteuer neben der Einkommensteuer nur der Besitz, ausgedrückt in Geldwerten, getroffen, sein Ertrag dagegen in den Sätzen der Einkommensteuer differenzierend erfasst werden; aber es ist doch kaum zweifelhaft, dass, je grösser der Besitz, um so grösser auch die Sicherheit des Einkommensbezuges und um so grösser die Leistungsfähigkeit. Namentlich bei grossen Vermögen könnte eine progressive Besteuerung ein Äquivalent bieten gegenüber der doch im ganzen ungenügenden Progression der Einkommensteuer. Spätere Reformen werden auch an der Frage nicht vorübergehen können, ob es berechtigt ist, das bewegliche Nutzvermögen, wie es heute grundsätzlich der Fall ist, von der Steuer auszunehmen. Der Ausschluss desselben hat den Vorteil, dass die Veranlagung wesentlich vereinfacht wird. Aber es ist ein Widerspruch, das unbewegliche Nutzvermögen, also Wohngebäude, Gärten, Parks, obwohl auch diese nur dem persönlichen Genuss dienen, der Steuer zu unterstellen, das bewegliche dagegen nicht. Je grösser Wohlstand und Reichtum sind, um so grösser und wertvoller pflegt auch der Besitz an kostbarem Hausgeräte, an Schmuck, Sammlungen u. dergl. zu sein. Dieser Besitz entzieht sich bei Lebzeiten des Besitzers jeglicher Besteuerung, während die weniger Begüterten ihre Ersparnisse doch vorwiegend nutzbringend anzulegen veranlasst sind und diese damit sowohl unter die Vermögens- wie unter die Einkommensteuer fallen. Natürlich müssten Wohnungseinrichtungen und Gebrauchsgegenstände geringeren Wertes, etwa im Gesamtbetrag von 10 000 M., von der Steuer befreit bleiben. Dass die Veranlagung Belästigungen und auch Schwierigkeiten böte, ist nicht zu bezweifeln; doch dürfen diese auch nicht überschätzt werden. Je mehr der Staat die Leistungsfähigkeit seiner Angehörigen nur mittels der Einkommen- und Vermögenssteuer erfasst, um so notwendiger wird es, diese möglichst genau der Leistungsfähigkeit anzupassen.

Nur noch ein paar Worte bezüglich der Kommunalbesteuerung.

Fast in gleichem Masse wie das Reich leiden die Kommunalkörper unter dem Mangel an Elastizität und Beweglichkeit ihres Steuerwesens. Namentlich da, wo sie auf Zuschläge zu den Staatssteuern angewiesen sind. Die Bereitwilligkeit Steuern zu zahlen, an sich nur wenig entwickelt, wird auf eine harte Probe gestellt, wenn zu den Staatssteuern noch 200 Proz. und mehr Gemeindesteuern eingefordert werden. Es ist begreiflich, dass alle Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, deren Wähler davon zumeist nicht berührt werden, sich schwer entschliessen, die Gemeindezuschläge um 5, 10 oder gar 20 Prozent und mehr in die Höhe zu treiben. Umso begreiflicher als in den Gemeindevertretungen doch die Majorität in der Regel von Angehörigen des Mittelstandes gebildet wird, dem das Steuerzahlen besonders schwer fällt. Die Folge ist dann eine nicht immer gerechtfertigte Mehrung des Schuldenwesens, indem Ausgaben, die bei richtiger Finanzwirtschaft auf Steuern übernommen werden sollten, namentlich im Bauwesen, durch Anleihen bestritten werden, oder das Unterlassen von Ausgaben und eine kleinliche, schliesslich sich rächende Gemeindepolitik. Wenn viele Gemeindevertretungen es z. B. unterlassen, rechtzeitig ihren Grundbesitz zu vermehren, so trägt daran, abgesehen von Verständnislosigkeit und manchesterlicher Prinzipienreiterei, doch in erster Linie die Furcht die Schuld, die Gemeindelasten vorübergehend zu vermehren. In Deutschland kommt dazu, dass Staat und Reich, eifersüchtig auf ihre finanziellen Rechte und ängstlich darauf bedacht, sich selbst möglichst viele Einnahmequellen zu sichern, den Gemeinden gelegentlich auch solche Einnahmen versperren oder verkümmern, die für diese besonders geeignet wären. Es sei nur an den Zugriff des Reiches auf die Zuwachssteuer erinnert, obwohl, wie oben bereits betont wurde, der Zusammenhang zwischen Bodenwertzuwachs und Gemeindeentwicklung fraglos ungleich stärker und nachweisbarer ist als der zwischen Bodenwertzuwachs [140] und Reichsentwicklung. Allerdings tragen die Gemeinden zum Teil selbst Schuld an diesem Vorgange. Statt sich dieser Einnahmequelle bei Zeiten zu versichern und sie nach ihren Verhältnissen und Bedürfnissen zweckmässig auszubauen, hat die übergrosse Mehrzahl von ihnen unter dem Einfluss der in den Gemeindekörpern vielfach dominierenden Grund- und Hausbesitzer sich ihr gegenüber ablehnend verhalten und dem Reiche den Vortritt gelassen.

Im allgemeinen liegen die Verhältnisse, was Beweglichkeit und Geeignetheit des Steuerwesens betrifft, für die Gemeinden da günstiger, wo ihnen eigene Steuern zur Erhebung zugewiesen sind wie in Preussen, vor allem die Ertragsteuern vom Immobiliarbesitz und vom Gewerbe; denn die Besitzer von Land, Gebäuden und Gewerbebetrieben, namentlich die beiden ersteren, geniessen von der gedeihlichen Entwicklung der Gemeinde grössere Vorteile als die übrigen Gemeindebewohner. Freilich darf die Anspannung dieser Steuern nicht übertrieben, muss daneben auch die Einkommensteuer für gemeindliche Zwecke in Anspruch genommen werden; denn die Einrichtungen und Anstalten der Gemeinde kommen allen zugute. Auch wird der Staat nicht umhin können, die Grenzen zu ziehen, innerhalb deren sich die Autonomie in der Festsetzung der Steuersätze bei den einzelnen Steuerarten betätigen kann, damit verhindert werde, dass die jeweils herrschende Majorität die Steuerlast nach Willkür verteile oder die Gemeinden sich zwecks Anlockung von Industriellen oder Kapitalisten gegenseitig in den Steuersätzen unterbieten. Bedenklich bei dieser Ordnung, wie sie in Preussen besteht, ist die Tatsache, dass für Gemeindezwecke das Einkommen aus Lohn, Honorar und Besoldung gleich stark zur Besteuerung herangezogen wird, wie das fundierte Einkommen des Kapitalisten. Im übrigen hat die preussische Regelung, die dem Staate die Einkommen- und Vermögenssteuer, die letztere ganz, die erstere zum grossen Teile, als prinzipale Steuereinnahmen sichert, die Gemeinden in erster Linie auf die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer verweist, den Vorteil, dass die Steuerlast doch zweckentsprechender verteilt ist als da, wo gleichmässige Zuschläge zu allen Steuern erhoben werden. Nicht unbefriedigend, wenn auch stark schematisch, ist die Regelung des gemeindlichen Umlagewesens in Bayern durch Gesetz vom 14. August 1910. Hier werden für die Gemeindebesteuerung sämtliche Grund-, Haus- und Gewerbesteuern mit den 2½ fachen, sämtliche Kapitalrentensteuern mit den 1½ fachen, sämtliche Einkommensteuern mit den halben Beträgen, grössere Berufseinkommen dagegen mit höheren Beträgen in Ansatz gebracht. Recht bedenklich ist es, dass den Gemeinden vielfach das Recht eingeräumt ist, die Besteuerung auch auf Einkommen zu erstrecken, die sich unter dem für die Staatsbesteuerung festgesetzten Minimum bewegen.

Im vorstehenden sind nur die hauptsächlichsten Richtlinien bezeichnet, in denen künftige Steuerreformen sich bewegen dürften. Auf Details einzugehen verbietet die Begrenztheit des Raumes. Es soll aber bereitwillig zugegeben werden, dass die Schwierigkeiten vielfach erst anheben. wenn die Richtlinien durch gesetzliche Normierung des Existenzminimums, der Progression, der Steuerstufen, der Voraussetzungen für Steuererleichterungen usw. in die Praxis übertragen werden sollen. Sind schon die Richtlinien strittig, so fehlt es hierfür vollends an jedem objektiven Massstab; allgemeine Erwägungen, persönliche Eindrücke, Gefühl und Empfindung, aber auch die Not der Verhältnisse, wirtschaftliche Rücksichten u. a. treten an deren Stelle und treffen Entscheidungen, die weder die Wissenschaft noch den einzelnen Steuerzahler befriedigen. Es mag nicht unangebracht sein, zum Schlusse der Hemmungen und Widerstände zu gedenken, die sich der Entwickelung des Steuerwesens in der Richtung auf grössere Gerechtigkeit und Gleichheit der Belastung entgegenstellen und zur Resignation zwingen.

Es gibt deren eine grosse Zahl. Sie liegen einmal in der Notwendigkeit, die für die Deckung des Staatsbedarfes und die formale Ordnung der Finanzen erforderlichen Mittel unter allen Umständen aufzubringen, selbst wenn dabei die Forderungen der ausgleichenden Gerechtigkeit zu kurz kommen sollten. Wir haben dies bei der letzten Reichsfinanzreform erlebt, als die Reichsfinanzverwaltung durch den Willen des Parlamentes gezwungen war, Steuern preiszugeben, die, vom Standpunkte der gerechten Lastenverteilung aus betrachtet, den Vorzug verdient hätten, und andere zu akzeptieren, gegen die, wieder von diesem Standpunkte aus, erhebliche Bedenken bestanden. Es wäre ungerecht, dafür die Reichsfinanzverwaltung verantwortlich zu machen, deren erste Aufgabe doch darin bestand, einer weiteren Verwirrung der Finanzen vorzubeugen [141] und Ordnung in den Reichshaushalt zu bringen. Sie musste sich sagen, dass unter den zwei Übeln: Zerrüttung des Reichshaushaltes oder Deckung des Bedarfes durch zum Teil ungeeignete Steuern, das letztere für sie das geringere war. Zudem die Hoffnung gehegt werden konnte, dass Mängel im Steuerwesen über kurz und lang sich würden beheben lassen, während das chronische Defizit eine schwere Schädigung des Ansehens des Reiches, seines Kredites, eine Untergrabung seines Finanzwesens bedeutete.

Andere Hemmungen ergeben sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen. Ist ein Land genötigt, oder glaubt es genötigt zu sein, hohe Schutzzölle, namentlich auf Lebensmittel, zu errichten, so wird die Gleichmässigkeit der Belastung darunter zu leiden haben. Zwar ist die Absicht des Zolles hier eine andere als beim Finanzzoll; aber die Wirkung ist die gleiche; hier wie dort wird der Bevölkerung ein Teil ihres Einkommens entzogen und dem Staatssäckel zugeführt. Da die unbemittelten Klassen in der Regel an den Schutzzöllen schwerer zu tragen haben als die vermöglicheren, so wäre ein Ausgleich bei anderen Gliedern des Steuersystems erforderlich. Nicht selten aber unterbleibt er, weil bei den Schutzzöllen mehr die Absicht als die Wirkung ins Auge gefasst wird und weil man bei ihrer Einführung häufig auf zeitliche Beschränktheit hofft.

Auch in anderer Beziehung machen sich wirtschaftliche Rücksichten geltend. Hat man früher die geringe Belastung der Kapitalrenten damit zu rechtfertigen gesucht, dass die Kapitalisten bei starker Besteuerung dem ungastlichen Lande den Rücken kehren würden, so findet die progressive Ausgestaltung der Steuern und die Höhe der Steuersätze heute ihre Grenze in der Rücksichtnahme auf die Vermehrung des Volksvermögens, ohne die keine intensivere Landwirtschaft, kein Aufblühen der Industrie, keine Besserung der Zahlungsbilanz, keine Verbilligung des Staatskredits möglich ist. Hohen Steuern vom Luxusaufwand, die an sich berechtigt sind, tritt die Befürchtung entgegen, dass der Aufwand abnehmen oder andere Formen annehmen werde, was wieder auf die beteiligten Industrien und die in ihnen beschäftigten Personen zurückwirken müsste.

Weitere Hemmungen bereitet der Parlamentarismus. Es muss durchaus anerkannt werden, dass die Volksvertretungen, namentlich die deutschen und hier wieder besonders die Landtage, in den letzten Jahrzehnten fruchtbare und erfolgreiche Arbeit auf dem Gebiete des Steuerwesens geleistet haben, sei es dass sie der Führung fortschrittlich gesinnter Finanzminister sich anschlossen, sei es dass sie ihrerseits zu Reformen drängten. Auch ohne die treibende Kraft der sozialdemokratischen Kritik, die zudem in den Landtagen erst seit kurzer Zeit zu Worte kommt, haben die bürgerlichen Landtage in Preussen, Baden und anderen Ländern die grossen Fortschritte auf dem Gebiete des direkten Steuerwesens bewerkstelligt, von denen eben die Rede war. Die neuere Ausbildung der Einkommen- und Vermögensbesteuerung in Preussen ist trotz des Wahlzensus, die Entwicklung der Einkommen- und Erbschaftsbesteuerung in England trotz der Herrschaft der besitzenden Klassen zustande gekommen. Andererseits ist man in Frankreich, von anderen Mängeln seines Steuersystems abgesehen, nicht einmal zur Ausbildung einer lückenlosen Kapitalrentensteuer gelangt und hat das Parlament, trotz des demokratischen Wahlrechts, bis heute die Personalbesteuerung nicht zum Gesetze werden lassen. Es liegt in der Natur der Dinge, dass in der Volksvertretung Parteidoktrinen, taktische Erwägungen, Rücksichten auf die Wähler immer ein Ausschlag gebendes Gewicht haben werden. Und bei Fragen der Steuerreform, die den Geldbeutel jedes Einzelnen berühren, noch mehr als bei manchen anderen. Solche Einflüsse zeigen sich dann nicht nur in der Wahl der Steuerarten, sondern auch und oft viel mehr in den Bestimmungen über die Steuersätze, im Einsteuerungsverfahren und dergl. mehr. Es sei an die Erfahrungen erinnert, die mit der preussischen Kommunalbesteuerung gemacht wurden. Wo der Grund- und Hausbesitz eine starke Vertretung in den Gemeinden hat, wird die Neigung bestehen, die Personalbesteuerung in höherem Masse in Anspruch zu nehmen als die Besteuerung des Realbesitzes. In Staaten mit vorwiegend agrarischem Charakter wird, wie die jüngsten Vorgänge in Bayern zeigen, mobiles Kapital, Industrie, städtischer Hausbesitz meist stärker angefasst. Vollends wo die Einkünfte, wie im Deutschen Reich, vorwiegend aus Verbrauchssteuern erbracht werden, ist nicht nur mit der Abneigung der breiten Massen und ihrer Vertreter zu kämpfen, sondern es greifen auch die betreffenden Produzentengruppen und ihre Organisationen ein. Es beginnt ein Kampf aller gegen alle, in dem nicht immer die besseren Gründe, sondern häufig die grössere Stärke und Geschicklichkeit in der Agitation, der [142] grössere oder geringere Einfluss der Organisationen in der Presse und im Parlament zum Siege führen.

Allein auch den Fall gesetzt, dass die Steuergesetze so gerecht wie möglich gestaltet, die Lasten auf das gleichmässigste verteilt seien, so ist immer noch keine Garantie gegeben, dass die Gerechtigkeit nicht durch Vorgänge, die jenseits des staatlichen Willens gelegen sind, wieder beeinträchtigt werde. Wir denken vor allem an den Komplex von Vorgängen, den man als Überwälzung zu bezeichnen pflegt, und an die widerrechtliche Entlastung durch irrige Einschätzungen und falsche Selbstangaben. Was die Über- und Abwälzungen betrifft, so sind wir in der Erkenntnis ihrer Tragweite heute nicht viel weiter als zur Zeit der klassischen Nationalökonomie; wir vermuten und behaupten sie mehr, denn dass wir sie im einzelnen beweisen könnten. Wir vermuten in vielen Fällen, dass der Gewerbetreibende die Steuer unter die Produktionskosten rechne, der Hausbesitzer sie auf die Miete schlage, dass die Arbeiter die Belastung des notwendigen Lebensunterhaltes durch Erzwingen höherer Löhne ausgleichen. Aber ob und in welchem Umfange dies geschieht, hat noch niemand einwandfrei erwiesen. Und doch ist klar, dass solche Vorgänge die Steuerlasten völlig verschieben, ungerechte Lasten ausgleichen, aber auch die Ungleichheit vermehren können. Es wäre eine dankenswerte Aufgabe der Wissenschaft, das Problem durch sorgfältige Untersuchungen aufzuhellen. Eine volle Klarheit wird freilich niemals zu erzielen sein, weil sich Steuerüberwälzungen nur zu leicht mit anderen Preisbewegungen vermischen und von diesen nicht losgelöst werden können. Leichter erscheint die Bekämpfung der widerrechtlichen Entlastung einzelner von den Steuern durch irrige Einschätzungen und falsche Selbstangaben. Dass die letzteren auch heute noch, obwohl die Verhältnisse besser geworden sind, in erheblichem Umfange bestehen, bedarf keines Beweises. Man betrachte nur die Veröffentlichungen des preussischen Finanzministeriums über die Ergebnisse des Beanstandungsverfahrens, wonach z. B. 1908 23,7 Proz. aller Steuererklärungen berichtigt werden mussten und ein Mehr an Einkommen von 330 Millionen, ein Mehr an Steuern von 11 Mill. M. erzielt wurde. Leider wendet die Volksvertretung der Verbesserung der Veranlagungstechnik zu wenig Aufmerksamkeit oder zu wenig Verständnis zu. Man spricht lieber von den Mängeln der Steuerverwaltung als von den Mitteln, welche den Schutz des ehrlichen Steuerzahlers gegen den unehrlichen zu bewirken geeignet wären. Eine Verschärfung des Steuerstrafrechtes und die Schaffung von Garantien gegen die Unmoral im Steuerbekenntniswesen erscheinen uns als wichtige Postulate künftiger Steuerreformen.





  1. Es sind nur die allerwichtigsten Werke und Abhandlungen sowie solche aufgeführt, auf die im folgenden Bezug genommen wird.