TBHB 1942-12-15

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Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1942-12-15
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Entstehungsdatum: 1942
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Originaltitel: Dienstag, 15. Dezember 1942.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 15. Dezember 1942
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Einführung

Der Artikel TBHB 1942-12-15 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 15. Dezember 1942. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 15. Dezember 1942.     

[1]      Harald Langhinrichs, ein langer, schlaksiger, vierzehnjähriger Bengel aus dem Dorf, hilft im Geschäft in seiner Freizeit u. ist ganz anstellig u. zu manchen Dingen gut zu brauchen. Leider ist er so gut wie überhaupt nicht erzogen u. ist in seinem Benehmen ein richtiger Flegel. Gestern nachmittag war die Frau des Kunsthistorikers Prof. Heydenreich im Geschäft zum Einkauf. Sie wohnt in Althagen, wo ihre Schwiegermutter ein Haus hat. [2] Sie war mit dem Rade gekommen u. hatte das Rad draußen im Garten abgestellt, einen Rucksack u. einen Umhang hatte sie auch mitgehabt u. diese Sachen hatte sie irgendwo abgelegt, ohne sich genau zu erinnern. Als sie, nachdem sie ihre Einkäufe gemacht hatte, diese in ihrem Rucksack verstauen wollte, konnte sie ihn nicht finden, – zugleich stellte sie fest, daß ihr Rad verschwunden sei. Darob große Aufregung, denn sie glaubte, Rad, Rucksack u. Umhang seien gestohlen worden. Schließlich stellte sich heraus, daß der Lümmel Harald sich das Rad genommen hatte, um rasch mal zur Post zu fahren. Mein längst aufgesammelter Unmut über die Flegelhaftigkeiten dieses Jungen kam darüber zum Ueberlaufen u. als er von der Post zurückkam, brach ein fürchterliches Donnerwetter los. Nun ist er schwer beleidigt, sein Vater ist es auch, u. das Ganze ist höchst unerfreulich. Ich stelle wieder einmal fest, daß ich solche Situationen nicht zu meistern verstehe. Zum Glück fanden sich dann wenigstens auch Rucksack und Umhang wieder an. Frau Prof. H. hatte diese Sachen im dunklen Korridor aufgehängt.

     Einen zweiten Aerger hatte ich mit Frau Charlotte Schmitt aus Berlin, die uns Geld schuldete. Ich mahnte den Betrag an, indem ich eine freundschaftlich gehaltene Briefkarte schrieb. Sie beteuerte, das Geld durch ihre berliner Bank gezahlt zu haben. Ich schrieb zurück, daß die Bank den Betrag vielleicht an eine falsche Adresse gesandt hätte, da wir das Geld nicht bekommen hätten. Darauf eine gereizte Antwort. Ich schrieb in engelgleicher Geduld, daß auch die Post nichts von diesem Gelde wisse u. reichte ihr eine diesbezügliche postalische Auskunft ein. Darauf eine noch gereiztere Antwort. Ich legte diese beiseite u. beschloß, auf das Geld zu verzichten u. antwortete nicht weiter. Darauf gestern ein Brief dieser Dame an meine Frau, in dem sie sich über meine Unhöflichkeit beklagt. – Auch diese Situation habe ich also nicht beherrscht, – ich bin das Geld los, werde beschimpft obendrein u. tue nun das, was mir am Richtigsten erscheint: ich schweige. Dieses Letzte ist vielleicht wirklich das Richtige; aber vielleicht hätte ich die Sache besser abbiegen können. Diese Kleinigkeiten des Lebens sind wirklich die schwierigsten Dinge.

     Frau Prof. H. erzählte mir etwas Amüsantes. Sie war kürzlich in Süddeutschland. Eine Frau von der Straße erkannte sie an der Sprache als Norddeutsche u. sagte zu ihr. „Na, – seid Ihr Berliner immer noch so hochmütig, oder habt Ihr nun endlich das Beten gelernt?“ – Diese Sache fand ich köstlich. –

     Am Sonntag war Frau Dziallas, welche seit vielen Jahren als Schneiderin in unserem Geschäft tätig ist, mit ihrem Mann zum Besuch bei uns. Der Mann ist Maurer aus Oberschlesien u. Katholik, die Frau Protestantin, aber katholisch getraut. Martha u. ich waren Trauzeugen in der Kirche in Marlow. Der Mann ist Soldat, hat die Eroberung von Sebastopol mitgemacht u. liegt jetzt im Kaukasus vor Tuapse. Er erzählte schlicht und anschaulich von seinen Erlebnissen. Dieser Krieg im Osten ist fürchterlich. Es sieht alles sehr hoffnungslos aus, am bedrohlichsten aber sind die Ereignisse in Nordafrika. Feldmarschall Rommel kann nicht mehr [3] tun, als sich verzweifelt seiner Haut zu wehren u. an der Front von Tunis kann es nicht gut stehen, sonst würden unsere Heeresberichte nicht so kurz u. schweigsam sein. Ich erwarte das Ende von dorther. – Frau Prof. H. war vor einiger Zeit in Italien, – ihr Mann sollte an der Universität Mailand einen Lehrstuhl erhalten, doch hat es sich zerschlagen. Aus ihren Andeutungen glaube ich entnehmen zu können, daß der Grund dafür die sehr schlechte, italienische Stimmung gegen Deutschland ist. Man liebt uns heute dort weniger denn je.

     Die Frauenschaftsleiterin im Ort, Frau Siegert, hat gestern abend einen „Weihnachtsabend“ für die Kinder des Dorfes veranstaltet. Mir wurde erzählt, daß „Weihnachtslieder“ gesungen worden seien, d.h. es wurden Umdichtungen alter Weihnachtslieder auf modernen, „zeitgemäßen“ Text gesungen unter Ausschaltung jeglichen christlichen Inhaltes. Dann hat Frau S. den Kindern einen Vortrag über die Verworfenheit der jüdischen Rasse gehalten. –