TBHB 1943-02-21

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1943-02-21
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1943
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Sonntag, 21. Februar 1943.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 21. Februar 1943
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung[Bearbeiten]

Der Artikel TBHB 1943-02-21 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 21. Februar 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über vier Seiten.

Tagebuchauszüge[Bearbeiten]

[1]
Sonntag, 21. Februar 1943.     

[1]      Gestern den Entwurf für Fritzens Kriegstrauungs=Anzeige fertig gestellt. Nachmittags rief Erichson an, der grade gekommen war. Ich fragte ihn, ob Klischierung u. Druck möglich sei. Er sicherte mir zu, daß er alles machen wolle. Abends Dr. Wessel, ein politischer Kannegießer. Als er kam, war er voll Zustimmung zur Goebbels=Rede. Ich fragte ihn dann nach u. nach aus über das, was er von der Geburtstagsfeier Goerings wußte. Danach muß es also sehr hoch hergegangen sein. Eine z. Zt. berühmte Sängerin – ich kenne ihren Namen nicht weiter – hat dabei mitgewirkt u. für ihre Bemühung ein goldenes Armband mit Brillanten erhalten. Der ganze Festrummel soll einschließlich der Geschenke, die deutsche Firmen gemacht haben! – einen Totalwert von schätzungsweise 5 – 6 Millionen Mark gehabt haben. Also auch hier „totaler Krieg“. – Ich fragte dann weiter, ob Emmy Goering [2] ihr sämtliches Dienstpersonal entlassen habe, – oder wenn nicht, ob sie als Rüstungsarbeiterin in die Fabrik ginge, – wie Dr. Goebbels es in seiner Rede von allen Frauen, „ob hoch oder niedrig“ verlangt habe. Dr. W. wußte es nicht, glaubte es aber nicht. Ich fragte weiter, ob er derartiges von anderen Frauen der Minister oder hohen Bonzen, etwa von der Frau des Herrn Dr. Goebbels wisse oder glaube. Er verneinte. Ich fragte dann weiter, ob dann wenigstens die Frau des Bürgermeisters von Ribnitz dergleichen täte. Er verneinte auch das. Ich fragte dann, ob wenigstens seine eigene Frau in die Fabrik ginge, – etwa zu Bachmann. Auch das verneinte er, doch fügte er hinzu, daß sie es erst dann tun würde, wenn die Frauen der Bonzen das Gleiche tun würden. – Ich fragte, ob er glaube, daß die Minister u. Bonzen wie wir monatlich nur eine einzige Glühlame zu 25 Volt erhielten, ob sie sich zur Kohlenersparnis auf ein einziges oder zwei Zimmer beschränkten. In dieser Weise fragte ich immer weiter, bis er wutschnaubend auf alle diese Minister u. Bonzen, vor allem auf Dr. Goebbels schimpfend abzog. Eine Viertelstunde genügte also, um seine Begeisterung in das Gegenteil zu verkehren. Er versuchte, sich zu retten, in dem er erzählte, es würden nunmehr aus den Betrieben eine Million kriegstaugliche Soldaten herausgezogen, dazu kämen drei Millionen, die aus der Organisation Todt herausgezogen würden. Mit diesen vier Millionen Mann würden die Russen im Sommer wieder bis zur Wolga zurückgetrieben werden. Ich fragte, bis wann diese Aktion abgeschlossen sein würde. Er sagte: bis zum 15 März, – der Führer hat das befohlen. Ich fragte, wie lange wohl die Einkleidung u. Ausbildung dieser vier Millionen dauern würde, wobei ich nur eine normale, infanteristische Ausbildung annahm. Er meinte: Zwei Monate. Das wäre also der 15. Mai. Ich fragte, wie lange wohl die Zusammenstellung dieser Vier=Millionen=Armeen zu schlagkräftigen Verbänden dauern könne. Er meinte: einen Monat. Also bis zum 15. Juni. Ich machte darauf aufmerksam, daß die Russen gegenwärtig damit beschäftigt seien, ihren Angriff auf Poltawa u. auf Dniepropetrowsk vorzutragen, – wo also die Russen wohl am 15. Juni stehen würden, beim endlichen Beginn unserer Offensive? Diese Frage tat er mit einer verächtlichen Handbewegung ab, – die Russen würden jetzt nicht mehr weiter kommen. – Ich meinte, ob wir nicht vielleicht diese ganze Sache mit Rußland von Anfang an unterschätzt hätten. – „Na ja“ – meinte er verlegen werdend. – Aber gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, daß die Russen wirklich nicht mehr weiter kommen sollten, ob denn die Engländer u. Amerikaner in der ganzen Zeit bis dahin garnichts tun würden, fragte ich weiter, z.B. Angriff auf Rommel in Afrika mit starker Uebermacht, Angriff auf Nordnorwegen mit Schwedischer Unterstützung, Angriff auf Griechenland, Angriff durch die Türkei hindurch. Auch solche Fragen tat er verächtlich ab. Die Türkei bliebe neutral, das wüßte er ganz genau von seinen Parteifreunden, welche beste Beziehungen hätten usw. [3] Ich glaube, Herr Dr. W. wird sich im Laufe dieses Sommers noch oft wundern u. noch oft Gelegenheit haben, seine zuversichtliche Begeisterung innerhalb von zehn Minuten ins Gegenteil zu verkehren. – „Wir vertrauen auf den Führer!“ – hinter diese Parole ziehen sich jetzt all diese politischen Kannegießer zurück, ohne zu merken, daß dieser Führer der Oberkannegießer ist. Dieser Oberkannegießer hat garnicht geahnt, wie stark Rußland ist, weil er seine Spione u. Spitzel nur im Inneren des Landes verwendet hat, anstatt sie nach Rußland zu schicken. Er hat darauf vertraut, was ihm der Sektreisende v. Ribbentrop gesagt hat u. was dieser wieder von anderen gehört hat. Nun mit einem Male ist „Europa in Gefahr!“ War Europa etwa nicht schon in Gefahr, als Hitler Oesterreich, die Tschechoslowakei, Polen, Holland, Belgien, Serbien, Griechenland angriff? Dieser Mann ist nur imstande, das in Rechnung zu stellen, was in seinem eigenen Kannegießer=Gehirn vorhanden ist, in die Gedanken seiner Gegner vermag er sich nicht zu versetzen. Das aber ist die Voraussetzung einer erfolgreichen Politik.

     Bei Ausbruch des russischen Krieges behauptete Hitler, daß es die letzte Minute gewesen sei, ehe Rußland über uns herfiel. Einige Monate – oder etwa ein Jahr später verkündete der andere Oberkannegießer, Hermann Goering, der erstaunt aufhorchenden Welt, daß dieser Krieg gegen Rußland die geniale Idee des Führers gewesen sei, indem er dadurch die reichen Rohstoffgebiete der Ukraine für Deutschland erobert habe, da wir sonst wegen Rohstoffmangels den Krieg nicht hätten gewinnen können. Jedermann wußte das natürlich, aber daß ein führender Minister so abgründig dumm sein könne, es öffentlich auszusprechen, das war mehr, als man erwarten durfte. – Dennoch vertrauen alle auf den Führer, obgleich dieser ebenso öffentlich eingestanden hat, sich über die Stärke Rußlands geirrt zu haben.

     Herr Dr. Goebbels beklagt sich in der letzten Nr. des Reich, daß die Engländer seine hysterischen Hilfeschreie als Friedensfühler auslegten u. beruft sich darauf, daß die Nazis schon vor 20 Jahren auf die Gefahr des Bolschewismus hingewiesen hätten. Es ist aber doch wohl ein Unterschied, auf die Gefahr des Bolschewismus in Propagandareden hinzuweisen, – ein Bolschewismus, von dem wir damals übrigens durch Polen getrennt waren, – oder ob man auf Grund eines Irrtums in diese Gefahr tatsächlich verstrickt wird, wie Hitler es getan hat. – Herr Goebbels fragt ganz dummdreist: „Ist unsere militärische Lage so beschaffen, daß wir in unserer Siegeszuversicht auch nur im Geringsten schwankend werden müßten?“ – Jawohl, Herr Goebbels, – unsere militärische Lage ist allerdings so, – u. das sog. Feldherrngenie des Gefreiten Adolf hat uns in diese Lage gebracht, – sonst wären Ihre ganzen Reden, Herr Goebbels, barer Unsinn u. Demagogie. Dann wäre Europa eben nicht in Gefahr! Herr G. behauptet, wir hätten „bisher nur mit der Linken geboxt“ – jetzt wären wir dabei die „Rechte zu bandagieren“. – Das ist Faselei, Herr Goebbels! – Aber Herr G. weiß genau [4] was ihm u. seinen Freunden im Falle einer Niederlage blüht. Er schreibt heute im Reich: „Wir hätten keine Gnade, sondern nur Rache, Wut, Vernichtung zu erwarten!“ – Jawohl, Herr Goebbels, so ist es, – jedoch nicht „wir“, – wie Sie es meinen, d.h. das ganze deutsche Volk, – u. womit Sie uns Angst machen wollen, – sondern „Sie u. Ihre Genossen“. – Und dieser Tag wird kommen! Ihre hysterische Angst davor ist nicht umsonst. Möge Gott verhüten, daß das ganze deutsche Volk in Ihren Untergang hineingerissen wird.