TBHB 1943-03-03

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Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-03-03
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Mittwoch, 3. März 1943.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 3. März 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-03-03 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 3. März 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Mittwoch, 3. März 1943.     

[1]      Marthas Zustand wird besser, jedoch sehr langsam. Ich wollte heute noch einmal den Arzt holen, weil sie immer noch Beschwerden im Halse hat, aber sie möchte es nicht. –

     Vorgestern Nacht waren die Engländer in Berlin. Man spricht von sehr schweren Schäden, besonders in der Gegend am Potsdamer Platz, aber Genaues weiß man nicht.

     Die Lage an der Ostfront scheint sich weiterhin zu bessern, unser Angriff bei Isjum scheint erfolgreich zu sein, an den anderen Stellen der Front kommen die Russen anscheinend nicht mehr vorwärts, mit Ausnahme bei Demjansk, südlich des Ihnensees, aber vorläufig ist das noch in bescheidenen Grenzen. Sollten jedoch die Russen jetzt ihre ganze Kraft dorthin verlegen u. ihnen ein Vorstoß bis Pleskau glücken, den sie offenbar im Sinne haben, dann dürfte dort eine neue, sehr große Gefahr entstehen. Unsere Armee bei Leningrad wäre dann ziemlich abgeschnitten.

     Die große Aktion des Arbeitseinsatzes scheint nicht weiter zu kommen. Hier im Dorf ist jedenfalls immer noch nichts geschehen, obschon die Aktion bis zum 15. März abgeschlossen sein soll.

     Fritz schickte mir die Abschrift eines Briefes, den ein Kaplan Raab an seine Kirchensänger in der Heimat in Viersen aus Stalingrad geschickt hat. Der Kaplan ist Divisionspfarrer u. war in Stalingrad mit eingeschlossen. Der Brief ist ein erschütterndes Dokument. Ich habe Abschriften davon gemacht [2] u. dieselben an Pfr. Dr. Tetzlaff, Rektor Bütemeyer, Pfr. Dobezynski, Kaplan P. Jaeger u. Pfr. Feige geschickt. Es heißt darin: „Dieses blutgetränkte Stück Erde einer ehemaligen 700000=Stadt möge nie und nimmer mehr von Menschen besiedelt werden. ... Aus den Seelen u. Herzen von uns allen, die wir hier in einer Schicksalsgemeinschaft ohnegleichen stehen, die wir nicht wissen, ob wir die nächsten Minuten noch erleben, – nur Gott weiß es – aus den Seelen u. Herzen schreie ich es Ihnen in die Heimat hinein: Bestürmt den Himmel! – Gibt es noch eine andere Mission für alle, die noch in etwa gesichert leben, wie die Aufgabe des Betens? – Wer jetzt noch nicht begriffen hat, daß hier nur Gott helfen kann, wer da glaubt, den Soldaten helfen zu müssen u. ohne Gott zu helfen glaubt, der möge doch hierher kommen ... Soeben habe ich eine große Schar von ihnen in einem gewaltigen Granattrichter, hinter der Ruine eines großen Gebäudes, zum eucharistischen Gott geführt. Es war schon dunkel u. alle knieten im Dreck u. falteten die Hände wie Kinder ... Ueber uns brauste ein schweres, feindliches Bombengeschwader. Die Russen haben uns zum Glück nicht gesehen. – Kyrie eleison! – Die Heimat soll es rufen, wie diese Männer es gerufen.“

     Dieser Brief ist datiert vom 3. November 1942, – da fing es in Stalingrad erst an. – Gestern Abend besuchte uns Frl. N. u. Martha bat mich, ihr den Brief vorzulesen, was ich nicht ohne ein leises Beben der Stimme tun kann. Frl. N. aber blieb völlig ungerührt u. ohne jedes Verständnis. – Armer Kaplan Raab! –

Abends.     

Außenminister v. Ribbentrop war vier Tage lang in Italien zur Verhandlung mit Mussolini. Man sagt, Mussolini habe seine Armee, die an der Ostfront steht, zurückverlangt, teils wohl deshalb, weil bald der Angriff auf Italien von Afrika aus zu erwarten ist, teils, weil man den Angriff auf Griechenland erwartet. Das wäre dann auch der Schlüssel zu den neuesten Frontverkürzungen an der Ostfront, denn heute meldet der Heeresbericht, daß Rschew von uns aufgegeben wäre. Ich nehme an, daß man bis dicht vor Smolensk zurückgehen wird, – falls man diese Stadt nicht auch aufgeben muß, womit dann freilich unsere letzte Nord=Süd-Verbindung sehr gefährdet würde. Es scheint also, als ob man entsprechend dem, was ich heute Morgen schrieb, eine russische Offensive auf die Linie Pleskau-Witebsk-Smolensk erwartet.

     Heute sprach ich mit Frau Pastor Kumpf. Sie ist Nationalsozialistin. Sechs Söhne hat sie, – der Aelteste ist bereits gefallen, vier andere sind in Rußland, von denen einer im Kaukasus gewesen ist. Von diesem hat sie seit dem 21. Dezember nichts mehr gehört. Ein anderer steht südlich des Ihnensee, wo schon lange schwere Kämpfe sind. Der jüngste, 15 Jahre, geht zur Schule u. ist jetzt in Wismar zur Flak eingezogen. Eben ziehen wieder englische Bombengeschwader über uns dahin.