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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Schaafknecht und das Waldweibchen

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Die feurige Schlange an der Todenquelle Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Das gehetzte Waldweibchen
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[157]
289.
Der Schaafknecht und das Waldweibchen.

Beim Dorfe Knau in der Gegend von Ziegenrück hatte sich der Schaafknecht ein Waldweibchen zu seiner Liebsten erkohren, und hüthete seine Schaafe immer an einer und derselben Stelle. Der Schaafmeister dachte, wo soll dort Weide genug herkommen? und beschlich den Knecht. Da lag die ganze Heerde im Dickicht, und Schaafknecht und Waldweibchen hatten einander bei den Köpfen, aber in Liebe und Güte. Auf einmal aber sprang das Waldweibchen auf, und schüttete aus seiner Schürze der ganzen Heerde Futter vor. Die Heerde fraß, Stück vor Stück sah wohlbeleibt aus, und der Schaafmeister gab sich zufrieden, und schlich sich wieder fort. Im Winter zog das [158] Waldweibchen sogar mit in die Schäferei, und fütterte die Heerde gedeihlich in seiner Weise fort, bis der Schaafknecht aus Eitelkeit sich einen neuen Rock anschaffte, da sprach es: „Schämst Du Dich meiner, so schäme ich mich Deiner,“ und ließ sich seit der Zeit nicht wieder sehen.