Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die Ruppbergs-Jungfrauen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Musikanten spielen auf am Hermannsberge Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Fahrsamengewinnung
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[16]
160.
Die Ruppbergs-Jungfrauen.

Ein Nachbar des großen Hermannsberges ist der Ruppberg, der spitzeste und zuckerhutförmigste unter allen Bergen der Thüringerwaldkette. Zwischen beiden Bergen liegt der Donnershauk, eine aussichtreiche, unbewaldete Höhe. An ihm entspringt „der kalte Brunnen“. Auf dem Ruppberge stehen hohe Porphyrfelsen nackt zu Tage; auch dort soll einst ein Schloß gestanden haben, und vieles weiß die Sage nicht nur von einer Ruppbergs-Jungfrau, sondern von mehrern, zu erzählen, die aber nicht stets zusammen erscheinen, sondern bisweilen eine allein, bisweilen zwei, bisweilen auch drei. Ist letzteres der Fall, so haben sie gewöhnlich einen Weich (eine Wäsche) die sie dann auf einsamen Waldwiesen ausbreiten und trocknen. Alle diese Sagen von Wäschen und Leinen bleichen deuten auf Flachspflege, auf spinnen und weben hin – alle diese Jungfrauen sind Dienerinnen der Hulde, ebenso jene, welche Leinknotten in der Sonne klengen, den Saamen des Flachses – gleichsam die Priesterinnen der deutschen Frauengöttin im Tempelvorhofe. Zu dem Bärenbacher Hirten, der am „kalten Brunnen“ unterm Donnersberge hüthete, kam eine der Ruppbergs-Jungfrauen und zeigte ihm einen Stein und sagte ihm, daß unter diesem Steine ein großer Schatz ruhe; er solle nur den Stein und dann den Schatz heben, so werde er sie aus ihrer Pein erlösen. Der Hirte ging hin, und wollte dem Gebote Folge leisten, aber da fand er eine große Schlange auf dem Steine liegend, die sich mit aufgesperrtem Rachen zischend gegen ihn aufbäumte. Zaghaft entfloh er – [17] später hat man dort weder den Stein noch die Schlange, noch die Jungfrau wieder erblickt – vielleicht war die Erlösunghoffende bei einem andern glücklicher. Auf dem Ruppberge und im Grunde des droben gestandenen Schlosses liegt ein großer Schatz, der ist versetzt mit drei Erstgeburten, die alle Johannes heißen müssen, d. h. nur drei erstgeborene Söhne, die den Vornamen Johannes führen, welcher in dieser Gegend so allgemein ist, daß sicher ⅔ aller Mannsleute ihn vor ihren übrigen Namen führen, ohne daß er der Rufname zu sein braucht, können entweder diesen Schatz heben, oder ein vierter Schatzheber muß diese 3 dem Bösen opfern. Letzteres klingt insofern seltsam, als nach dem Volksglauben der Teufel über den Namen Johannes gar keine Macht hat, und demselben daher äußerst aufsässig ist. Daher sind auch Johanniskraut oder Johannisblut (Hypericum perforatum) Johannisgürtel, (Wermuth, Artemisia vulgaris) und die Johannishand, (zugeschnittene Wurzel des Adlerfarrn, Pteris aquilina), dem Teufel und allem von ihm ausgehenden Schaden an Menschen, Vieh und Wohnungen magisch entgegenwirkende Mittel. Den Schatz auf dem Ruppberg zu heben, soll von vielen versucht worden sein, aber noch keinem gelungen.

Mit dem Ruppberge gleichsam zusammenhängend und ein Auslaufer von ihm ist der Reissigen-, besser reissende Stein, dessen schroffe Absenkung aus dem Thale der Lichtenau zwischen Mehlis und Benshausen aufsteigt. In alten Büchern steht von ihm als „denkwürdig“, daß an ihm „zur Nachtzeit nicht viel Ruhe ist, indem die Steine von oben herab in die gerade unten vorbeiziehende Landstraße springen, wodurch viele Leute erschreckt worden; dem Vernehmen nach lassen sich allda viele Gespenster [18] sehen.“ Das sind eben die Rupprechtsjungfrauen. Dem Reissigen-Stein gegenüber ging ein Frauchen mit einem Schlüsselbunde um, das ließ sich immer in der Mittagsstunde sehen, und schrie wehklagend: Drei Viertel für ein Pfund! Drei Quärtchen für eine Kanne! Es war eine Handelsfrau, aus Mehlis oder Benshausen, die beim Leben stets ihre Kunden um ¼ des Gewichts oder Gemäßes betrogen hatte. –

In der Nähe, hinterm reissenden Stein, liegt der Häselberg, in welchen ein Amtmann verwünscht ist, der in dortiger Gegend als Feuermann umgehen und spuken muß, weil er ein Unterthanenschinder war. Auch ein Schloß voller Lichter hat man droben auf dem Häselberge brennen sehen. Im Gröhles bei Benshausen (von Gekröhle, Geheul) rollen auch Feuerklumpen, und erschrecken die Wanderer.