Zum Inhalt springen

Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die grüne Frau

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Die sieben Prinzessinnen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Die weiße Frau
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[228]
365.
Die grüne Frau.

Als eines Sonnabends eine Bauerfrau von Kleingölitz dürres Gras und Laub auf dem Burghofe des Greifensteins sammelte, hörte sie unten in der Stadt die Glocken erklingen, die den Sonntag einläuteten. Die heraufzitternden Töne stimmten ihr frommes Gemüth zur Andacht, sie legte den Rechen weg und sprach mit gefaltenen Händen ein leises Gebet. Während sie noch voll Inbrunst betete, trat zu ihr eine Frau und winkte ihr zutraulich. Die Frau aber war grün gekleidet von Kopf bis zu den Füßen. Das Bauerweib folgte ihr ohne Scheu. Sie kamen an ein eisernes Thor. Die grüne Frau öffnete dieses mit einem Schlüssel aus ihrem Schlüsselbunde, ebenso die nächste Thüre und so wohl noch zwanzig Thüren und Pforten. Die letzte führte in einen großen Saal, wo Alles von Golde glänzte. Hier blieb die grüne Frau stehen und lispelte der Bäuerin zu: Nimm Dir, so viel Du willst, aber rühre das Geld nicht an binnen Jahresfrist, und schweige davon wie ein Grab gegen Jedermann, Davon werde ich erlöst, und darf dann nicht mehr unseliglich wandeln! Die Bäuerin raffte ihre Schürze voll, verschloß das Geld in einen Schrank ein ganzes Jahr lang, und wenn ihr auch manchmal die Lust ankam, danach zu sehen, oder es ihrer Frau Gevatterin zu erzählen, so bezwang sie sich doch und blieb verschwiegen wie ein Grab. Dadurch wurde sie sehr reich, und Niemand hat die grüne Frau seitdem wieder gesehen.